XXL-SPECIAL: Rückblick auf die IFA 2019 verbunden mit der Frage: Ist das "Konzept IFA" noch zeitgemäß?

Die IFA 2019 ist nun Geschichte, Zeit, die Messe in Berlin Revue passieren zu lassen. Unserem Eindruck nach kamen weniger Besucher, so waren die Messehallen zum Beispiel am Messe-Sontag, den 08. September 2019, unseren Eindrücken nach deutlich schwächer besucht als in den Jahren zuvor, auch wenn die offiziellen Zahlen etwas anderes aussagen. Dass die IFA aber nicht mehr das ist, was sie einst war, ist wohl für die meisten Fakt. Woran liegt das? Ist das "Konzept IFA" noch zeitgemäß?

Ist die IFA noch zeitgemäß?

Vieles hat sich bezüglich der IFA geändert, bezüglich der Art und Weise, wie sie durchgeführt wird, bezüglich des Zeitpunkts, ursprünglich praktisch, weil sich Besucher und Händler gleich anschauen konnten, was Neues im Weihnachtsgeschäft kommt. Händler konnten ihre Orders platzieren, und es standen noch echte Neuheiten auf der Internationalen Funkausstellung. 

Panasonic OLED 4K Protoyp auf der IFA 2013

IFA 2014: Technics kehrt zurück

Yamahas neue Aventage AV-Receiver auf der IFA 2011

IFA Logo von 2016

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Schon seit 2006 hat sich aber vieles geändert. Seit diesem Jahr findet die IFA jährlich statt, seit 2008 kam zur "Braunen Ware", also der Unterhaltungselektronik, auch noch die "Weiße Ware", Haushaltsgeräte etc., dazu. Überdies wurde die Veranstaltung "IFA Innovations Media Briefing" vor einigen Jahren eingeführt, Aufgabe war und ist hier, dass wichtige Neuheiten und Innovationen, die auf der Funkausstellung präsentiert werden, von Journalisten bereits im Juli in Augenschein genommen werden können.

Soweit also der Status - klingt doch eigentlich nicht schlecht, oder? Man muss schon mehr ins Detail gehen, um zu verstehen, warum das "Konzept" IFA nicht mehr die Strahlkraft früherer Zeiten besitzt.

Die Strahlkraft der IFA nimmt ab - warum?

Es finden sich mehrere Gründe:

  • Dadurch, dass es die IFA vor 2006 nur im Zweijahres-Rhythmus gegeben hat, war es klar, dass sie mit viel größerer Spannung erwartet wurde und sich die Aussteller Mühe gaben, wirklich Neues zu präsentieren. 

LGs 8K OLED 88Z9 wurde erstmals auf der CES 2019 präsentiert

  • Die großen Hersteller führen ihre Neuheiten antizyklisch in Bezug auf die IFA ein. Beispiel TV-Hersteller: Samsung, LG, Sony oder Panasonic zeigen erste Konzepte und Neuheiten bereits im Rahmen der CES im Januar des Jahres, im Anschluss finden von Februar bis April die Roadshows statt, auf denen die Neuheiten präsentiert werden. Ab Ende April/Mai kommen dann die Neuheiten in den Handel. Oft gibt es gerade Top-Serien etwas später, bis August sind aber auch diese dann erhältlich. Zur IFA schieben die Hersteller oft nur noch Erweiterungen der Modellreihen (z.B. bezogen auf 2019: Samsung Q950R 8K TV nun auch in 55 Zoll) nach. Lediglich wenige Anbieter, von denen Philips und Grundig 2019 die prominentesten waren, zeigen wirklich Neues auf der IFA. Dieses Verhalten lässt sich z.B. auch auf die Anbieter von AV-Receivern oder Streaming-Produkten übertragen.
  • Große Brands wie Bose oder Apple sind nicht auf der IFA vertreten. 

Hersteller wie KEF oder Arcam stellen lieber auf der High End in München aus

  • Klassisches Audio findet schon seit einigen Jahren kaum noch auf der IFA statt. Firmen wie KEF, Elac, Quadral, Canton oder B&W glänzen durch Abwesenheit. Messe-Auftritte, gerade auf der IFA, sind teuer, und die Zielgruppe dieser hochwertigen Audiomarken ist auf der IFA anscheinend nicht mehr vertreten. Die Audio-Brands nutzen zum großen Auftritt eher die High End in München, hier stehen zahlreiche Neuheiten, jedes Jahr, die dann nach der High End, manchmal auch schon kurz zuvor, in den Handel kommen. Hinzu kommen kleinere Messen wie die "Süddeutschen HiFi-Tage" oder die "Mitteldeutschen HiFi-Tage", auf denen Interessierte die favorisierten Produkte anschauen und anhören können. 

Zumindest noch eine wirkliche IFA-Neuheit: Der Philips OLED+ 984

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  • Früher glich der erste IFA-Tag einer großen Überraschung: Man sah viele Neuheiten, von denen man zuvor nichts oder nur wenig wusste. Klar gab es Spekulationen in der Branche, was Sony, Panasonic oder Loewe denn zur IFA herausbringen würde, aber fertige, beinahe vollständige Informationen über alle neuen Produkte waren nicht zu finden. Später dann wurde das Konzept aufgeweicht, schon einige Tage vor der IFA fanden sich Pressemitteilungen zu neuen Produkten. Trotzdem, das fand erst knapp vor IFA-Beginn statt, und so war der Zeitraum von dem Versand der Pressemitteilungen bis zum IFA-Start nicht besonders groß. Mittlerweile gibt es zu den recht wenigen überhaupt noch für die IFA geplanten Neuheiten schon Wochen im Voraus Informationen und Pressetexte, inklusive Bildern. So geht die Spannung völlig verloren, zumal nicht nur die Presse und Händler eingebunden werden, sondern die Hersteller veröffentlichen schon für jeden, der in den sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram aktiv ist, Vorab-Infos.

    Highlight Produkte wie das Sharp 120 Zoll 8K Display (IFA 2019) finden sich nicht mehr sehr oft 

  • Noch weitere Überraschungen gab es früher, wie Konzepte, Prototypen und Studien, von denen niemand vor der Messe etwas geahnt hat. Zwar finden sich, in deutlich geringerem Umfang, auch heute noch solche Geräte, aber der große "Aha-Effekt" bleibt aus.
Was ist zum Format "IFA Innovations Media Briefing" zu sagen?

Panasonic präsentiert wie alle anderen teilnehmenden Hersteller auch nur Bekanntes auf dem IFA Innovations Media Briefing

Spätestens seit diesem Jahr völlig für die sprichwörtliche Katz. Keine echten Neuheiten, die nicht zuvor schon die Runde auf diversen Roadshows gedreht haben und bereits im Handel sind. Nicht umsonst meiden immer mehr Hersteller das IFA Innovations Media Briefing, denn Innovationen finden sich dort nicht mehr.

Die IFA 2019 im Detail, erläutert anhand von Beispielen

Beziehen wir die eben erwähnten Fakten auf die aktuelle IFA 2019, so ist anhand der nun folgenden (nicht vollständigen) Beispiele festzustellen:

Yamaha präsentiert Musikinstrumente

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  • Yamaha hatte zwar den größten Stand in der Halle 1.2, nutzte diesen aber nicht, um Neuheiten zu präsentieren, sondern eher, um eine "Erlebniswelt" zu bieten. Es wurde demonstriert, was der Konzern alles im Portfolio hat, inklusive großer Präsentationsfläche für die Musikinstrumente

  • Samsung zeigte aus dem TV/AV-Bereich bis auf den Q950R 8K-TV im neuen 55 Zoll Format nichts neues, sondern fokussierte das hauseigene "Smart Home" Konzept 

  • Nicht viel Neues auch bei Panasonic. Filmmaker Mode für Panasonic TVs ausgesuchter Baureihen ab 2020, immerhin ein Megacon Konzept-Display mit 2 Panels für exzellenten Kontrast. Aber: Keine neuen Baureihen, kein neuer OLED größer als 65 Zoll, nichts zum Thema 8K.

  • Sony konnte ebenfalls nicht mit TV-Neuheiten glänzen. Wir hofften auf einen Bravia ZG9 8K-TV, der kleiner ist als 85 Zoll (aktuell nur in 85 und 98 Zoll lieferbar). Fehlanzeige. Immerhin gab es eine technisch sehr interessante Premiere der 7.000 EUR kostenden aktiven Nahfeld-Monitore SA-Z1. Ein paar Neue Kopfhörer, neue Walkmen - viel ging sonst auch bei Sony nicht, wenn man sich auf klassische TV/AV-Themen bezieht. 

  • Sound United (Denon, Marantz, Definitive Technology, Polk) war zwar auf der IFA, zeigte aber nichts neues oder Überraschendes, vielleicht abgesehen von den neuen Soundbars der 516H/716H Serie, die erst kürzlich vorgestellt wurden. 

Was überraschte wirklich? Hier unsere kleine Auswahl:

Sortiment

Fire TV-OLED

  • Grundig mit Amazon Fire TVs, auch als "Handsfree Edition" mit Fernfeld Mikrofonen in den TVs (OLED in 55 und 65 Zoll, bis 2.299 EUR) und als "normale" Fire TVs mit Mikrofon in der Fernbedienung (ab 349 EUR, LCD, 43 Zoll)

OLED+ 934

B&W Soundbar des OLED+ 984

  • Philips mit klang- und bildstarken starken Top-Linien (65 Zoll: OLED+ 934 3.799 EUR, 65 Zoll: OLED+ 984, 5.499 EUR) mit hochwertigen B&W Soundsystemen und der neuen P5 3. Gen Pixel Engine. 

  • JBL präsentierte mit dem Link Portable einen ultraflexiblen Preisbrecher: 360 Grad Sound, Google Assistant, Apple AirPlay 2, Akku für 8 Stunden Betrieb, wasserfest,edle Verarbeitung, 20 Watt, das alles für 149 EUR. Schade, dass der Harman/JBL Stand nur für Händler und Fachpresse offen ist. 

SC-LX904

TX-RZ3400

  • Onkyo und Pioneer mit neuer Stärke: Nicht nur, dass Aquipa, zuständig für den Vertrieb der beiden japanischen Marken in Europa, einen sehr ansehnlichen Stand hatte, auch die Modelle haben uns positiv überrascht: Mit den AV-Receivern SC-LX704/904 sowie dem Onkyo TX-RZ3400 gibt es wirklich nette Highend AVRs zu Preisen zwischen 1.799 und 2.799 EUR - top! Und eine echte Überraschung, die Pressemitteilungen kamen erst kurz vor der IFA

Sortiment

Braun Leo 2

Detail am Leo 1

  • Braun is back - einerseits überraschend, andererseits aber nicht wirklich zur Gänze überzeugend. Denn die Bluetooth-Lautsprecher sehen zwar nett aus, bieten aber keinen überragenden Wiedererkennungswert und keine bahnbrechenden Features. 

3500 EUR verlangt JVC für den LX-NZ3 DLP-Beamer

Neues Frame Adapt HDR

Großartige Kuppel-Projektion

  • JVC Kenwood überzeugte uns zu 100 Prozent auf der IFA 2019: Man präsentierte einen neuen 3.500 EUR kostenden Ultra HD DLP-Einstiegs-Beamer, eine neue Firmware inklusive "Frame Adapt HDR" für die D-ILA-Projektoren und eine faszinierende Full Dome-Projektion mit zwei Hightech-Beamern im Referenz-Kino.

Dali iO 6

Edle Verarbeitung

  • Dali brachte eine echte Weltpremiere mit nach Berlin: Die ersten, optisch und auch akustisch sehr gelungenen Kopfhörer des Hauses. Die Modelle iO 4 (299 EUR, nur BT, 60 Stunden Akkulaufzeit) und iO 6 (BT+ANC mit "Transparency Mode", 399 EUR) konnten uns auf Anhieb überzeugen. 

Logo

Immer mehr Partner

  • IMAX Enhanced allenthalben auf der IFA: Eigene Vorführungen bei DTS (IMAX Enhanced fußt akustisch auf DTS:X) und bei Sony, bis auf Yamaha jede bekannte Marke für AV-Receiver, AV-Vorstufen und AV-Verstärker rüsten ihre Devices mit diesem Feature aus (Denon, Marantz, Arcam, Pioneer, Onkyo, Trinnov...). Um IMAX Enhanced so, wie gewollt, verwenden zu können, braucht man die passende Software plus eine Wiedergabekette mit IMAX Enhanced Unterstützung.
Fazit

Was bleibt als Bilanz? Die IFA verliert mehr und mehr ihre ursprüngliche Bedeutung und wird zu einer "Erlebnis-Messe" für Familien, die nach einer Beschäftigung suchen, für "Kugelschreiber-Jäger" und Tüten-Sammler. Gut, verschiedene Start-Ups können sich in Berlin profilieren, aber da wäre vermutlich eine separate Messe sinnvoller als der Rahmen der IFA.

Vielleicht sollte man sich überlegen, was zu tun wäre, um die IFA und auch für die Presse das IFA Innovations Media Briefing wieder zu einem echten Event zu machen: Wirkliche Prototypen zumindest einiger Hersteller auf der IFA Innovations Media Briefing, mit neuen oder erweiterten Funktionen, das wäre ein Anfang.

Und auf der IFA? Den großen Modell-Wechselzyklus großer Hersteller können weder die IFA Innovations Media Briefing noch die IFA selbst ändern, daher wird es schwierig, dass zukünftig mehr "echte" Neuheiten präsentiert werden. Vielleicht wäre es aber sinnvoll, wenn noch mehr kompetente Vorführungen, z.B. von erst kürzlich eingeführten und auf der IFA gezeigten TVs, stattfinden würden. Auch echte Mehrkanal-Audio-Vorführungen wären ein wichtigr Schritt. Nicht nur pompöse Stand-Aufbauten sollten Faszinationspotential entfalten, sondern die Geräte und deren Können. Letzten Endes sollte man überlegen, ob es nicht Sinn macht, im Wechsel eine "IFA für Weiße Ware" und eine "IFA für Braune Ware" stattfinden zu lassen, ähnlich der PKW-IAA und der Nutzfahrzeug-IAA. 

 

Special: Carsten Rampacher
Datum: 16. September 2019


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