Test: Isophon Vieta

13.06.2005 (lm)

 



Einführung

Isophon, früher bekannt als Lautsprecher-Zulieferer in der Autobranche, spezialisierte sich vor mehreren Jahren unter der fachkundigen Leitung von Herrn. Dr. Gauder ausschließlich auf die Konstruktion sehr hochwertiger Schallwandler und erlangte einen hervorragenden Ruf innerhalb der Käuferschaft. Der Grund hierfür liegt in der konsequenten sowie attraktiven Marktpositionierung mit technisch aufwändigen Lautsprechern, die sich von ca. 1.000- bis hin zu knapp 5.000 € (Stückpreise) weder in sehr günstigen Marktsegmenten noch in völlig unbezahlbaren Bereichen aufhalten. Doch abseits der aus rein technischer Sicht sehr hochwertigen Bauweise wollen die Isophon- Lautsprecher ebenfalls durch mustergültige Verarbeitung mit wohnraumkompatiblem Design eine positive Abgrenzung gegenüber den Mitbewerbern erreichen. Ein besonders interessanter Lautsprecher im Isophon Produkt-Angebot stellt unserer Meinung nach das Modell „Vieta“ dar. Dieser Schallwandler ist zunächst einmal technisch gesehen eine willkommene Alternative zu den üblichen Bass-Reflex Konstruktionen vieler anderer Hersteller. Der schwäbische Entwickler dieser Box, Herr Dr. Gauder, setzt auf einen Band-Pass und verspricht eine tiefreichende Klangwiedergabe bis 33Hz, während gleich 2 Mittel- und ein Hochtöner die restliche Arbeit übernehmen. Diese 3,5-Wege-Konstruktion wird zudem in einem elegant wirkenden, schmalen Gehäuse mit 105cm Höhe untergebracht, und hätte daher die Chance, auch Ästheten mit anspruchsvollen Ohren zufrieden zu stellen. Diese werden auch sehr erfreut zur Kenntnis nehmen, dass Isophon seinen Kunden eine große Auswahl von Gehäusevarianten anbietet: Vom klassischem Echtholzfurnier in verschiedenen Holzarten über eine Klavierlack-Lackierung bis hin zur kompletten Aluminium-legierten Box passt sich die Vieta nicht nur dem Wohnambiente, sondern auch dem Geldbeutel des Käufers an. Diejenigen, die eher technisch versiert sind, greifen zur 2.749 € kostenden Basis-Version, die es wahlweise in Esche schwarz oder weiß gibt. Unser Testmodell markiert die andere Seite der Vieta-Preisspanne, da für die Aluminium-Version mit polierter Chromblende gleich 3.879 € über die Ladentheke wandern (pro Stück versteht sich). Für Surround-Fans, die Gefallen an der Vieta finden sollten, offeriert Isophon ebenfalls noch die passenden Surround-Spezialisten – wie zum Beispiel die Center-Modelle „Solaris“ und „Helios“ für ca. 3.000 bzw. 1.500 €. Doch in diesem Test widmen wir uns ausschließlich der Vieta mit ihren Stereo-Qualitäten, wo sie auf harte und renommierte Gegner trifft. Eine Sonderstellung in der Preisklasse um die 3.000 bis 5.000 € nimmt zweifelsohne die höchst filigran aufspielende KEF Reference-Serie  ein, die wir Ihnen bereits beim Standlautsprecherspecial als auch im Mehrkanal-Setup vorgestellt haben. Doch auch den Quervergleich nach „unten“ möchten wir Ihnen anbieten: Wer sich für knapp 4.000 € das herausragende Nubert nuWave 125-Surround-Set kauft und auf der Suche nach einer eventuellen Verbesserung im Stereo-Bereich ist, interessiert sich auch dafür, wie sich unser Test-Modell im Vergleich zu der äußerst bass-potenten und pegelfesten NuWave125 (965 €) mit der gänzlich anderen „2,5 Wege Bass-Reflex“- Konstruktion schlägt. 

Verarbeitung / Finish



Unser Testexemplar im edlen Alu-Look begeistert sowohl hinsichtlich des eleganten Designs als auch von der Verarbeitung her auf der ganzen Linie. Hier zahlt sich die gewissenhafte, in Handarbeit vorgenommene Einzelfertigung aus: Der Lautsprecher wirkt wie aus einem Guss, man hat beim Betrachten nie das Gefühl, einzelne zusammengesetzte Komponenten, sondern stets eine ganzheitlich harmonische Box anzuschauen. Was der sehr unaufdringlichen, eleganten Optik ebenfalls zuträglich ist, sind die versteckt angeordneten Tieftöner, die sich im Inneren der Box befinden und die Schallabgabe durch die schmale schwarze Stahlblende (gebogenes Stahlgitter) auf der Frontseite durchführen. Viele - besser gesagt, fast alle anderen  - Lautsprecher tragen nach außen offen zur Schau, welche Bass-Chassis zum Einsatz kommen und versprühen dadurch weit mehr technische Ausstrahlung im Hörraum. Dies muss ja keineswegs immer schlecht oder negativ sein, aber einer wohnzimmer- (und Frauen) freundlichen Wirkung steht dies generell eher im Wege. Die Vieta mit ihrem schlanken Erscheinungsbild vereint die für schwierig durchführbar gehaltene Kombination aus vollwertiger Standbox mit nobler, zurückhaltender Optik.

Besonders gefallen hat uns die profilierte Aluminium-Oberfläche, welche sich über die komplette Box erstreckt und auch an den Gehäusekanten äußerst passgenau verarbeitet ist.  Selbst die Rückseite wurde komplett mit Aluminium überzogen und ermöglicht eine freie Aufstellung inmitten großer Räume. Es mag zwar etwas dekadent klingen, aber es ist schön, dass dieser Lautsprecher auch genauso teuer bzw. hochwertig aussieht, wie er auch tatsächlich ist. 

 

Großen Anteil an dieser optisch beeindruckend noblen Erscheinung geht ebenso auf das Konto der Chromblende, die die beiden vorderen Membranen umschließt. Auf Hochglanz poliert, versteht sie es im Hörraum die Blicke auf sich zu ziehen, und verwöhnt das Auge des Betrachters mit einer Kombination aus Farbspiel und Spiegeleffekten. Ganz klar: technikaffinen Käufern sind solche Eigenschaften fast gänzlich unwichtig – aber wer diese Lautsprecher auch langfristig als Blickfang im Hörraum positionieren will, sollte diese 180 € pro Box nicht scheuen und gleich mitbestellen. Alternativ zur Chromblende bietet Isophon für 70 Euro ebenfalls eine Aluminiumvariante an. Standardmäßig wird die Vieta gänzlich ohne Umrahmung der Front-Chassis geliefert, was wiederum Freunde einer noch zurückhaltenderen Optik erfreuen wird. 

Leichte Kritik müssen wir beim Anschlussterminal anbringen. Genau Letzteres ist nämlich in Bezug auf das obere Paar der Lautsprecher-Buchsen sehr problematisch, weil die Kabel-Einlass-Öffnungen noch oben zeigen und äußerst nah am Rand der kompletten Anschluss-Mulde gebaut sind. Nach ein paar Anläufen sind dann zwar auch dort die Lautsprecherkabel fest verbunden, aber wer Kabelschuhe benutzen will, steht vor ernsthaften Problemen beim Anschluss. Abseits dieser Problematik aber glänzen die Lautsprecher-Terminals selber mit bestechender Verarbeitung und erlauben wegen der Leichtgängigkeit bei gleichzeitig fester Verbindung einen sicheren Anschluss von Bananas und auch großen Lautsprecherkabeln. Und wer ohnehin die doppelt ausgeführten Terminals weder für Bi-Wiring noch für Bi-Amping nutzt, verbindet diese beiden Anschlüsse paarweise mit den beiden mitgeliefertem, hochwertigen Bi-Wiring Brücken und benötigt die oben (ungünstig) gelegenen Anschlüsse erst gar nicht. 


Noch eine Etage tiefer sorgen 4 M8-Gewindehülsen mitsamt den mitgelieferten Spikes nicht nur für einen leichtfüßigen Auftritt, sondern auch akustisch wirkungsvolle Entkopplung vom Boden. Übrigens gehören passende Aufnahmeteller nicht zum Lieferumfang, so dass bei Umgebungen mit beispielsweise Fließen vor dem Kauf an entsprechendes Zubehör gedacht werden muss. Alternativ kann jedoch auch einfach die andere, runde Seite der Spikes genutzt werden. Aber auch gänzlich ohne den Einsatz von Spikes kann sich das Vieta-Paar sehr gut sehen lassen. Der Korpus wird ohnehin durch die 2cm dicke schwarze Grundplatte vom Boden abgehoben, lediglich aus akustischen Gründen sollte diese Aufstellungsvariante aber nur eine vorübergehende Notlösung sein und durch Spikes bzw. Absorber (je nach Bodenbeschaffenheit) verbessert werden.

Im Gesamtvergleich zu einer Vieta wirkt eine Nubert NuWave125 zwar technisch imposanter, aber gleichzeitig auch deutlich einfacher, weniger grazil und dafür aufdringlicher. Dies liegt hauptsächlich an den deutlich größeren Abmessungen, aber auch den (bei Weitem) nicht so hochwertigen Materialien samt ordentlicher, aber nicht begeisternder Gehäuseverarbeitung. Der Preisunterschied ist in diesem Fall also nicht nur erahnbar, sondern auch sofort ersichtlich, was für viele preisähnliche Produkte wünschenswert wäre. Doch auch der Vergleich gegenüber preisähnlichen Produkten fällt sehr positiv für die Vietas aus. Speziell die Chromblende schafft zusammen mit der Gehäuse- und Kantenverarbeitung eine optische Noblesse, die selbst von der KEF Reference 205 nicht in diesem Maße hergestellt werden kann. Hier wirkt besonders die Güte der Kantenverarbeitung nicht ganz so überzeugend – und auch der Look der Membranen mitsamt des Superhochtöners erinnert ein wenig an Kunststoff anstatt an Aluminium bzw. Titan. Wo es andere Hersteller aber besser machen, zeigt uns das Beispiel KEF Reference 205 wiederum bei den Lautsprecherterminals, die sowohl Tri-Amping fähig sind, als auch problemlos bestückt werden können. 

Technischer Aufbau / Konstruktionsdetails

Wie schon erwähnt, besteht die Vieta aus einem 3,5-Wege-System. Es existieren  daher zunächst einmal 3 Aufteilungen des Frequenzumfanges. Mit Zahlen unterlegt bedeutet dies, dass die Vieta die tiefen Frequenzen von 33-150Hz an den Bandpass [1] abgibt. Ab dieser Frequenz treten die beiden Mitteltöner in Erscheinung, wovon der seitliche[2] nur eine Aufgabe hat. Er unterstützt lediglich von 150-300Hz seinen "Kollegen" und nimmt ihm 70% der auslenkungsintensiven Anforderungen ab. Der vordere Mitteltöner [3]ist  daher vornehmlich für die höheren Mittenbereiche vorgesehen und trennt seinerseits bei 1500 Hz zum Hochtöner. Dadurch hat man bei tiefen Frequenzen die doppelte Membranfläche ohne den Nachteil, dass das akustische Zentrum im Mittelton- oder Präsenzbereich zu groß wird.

Der größten Platz hierfür steht dem Bandpass zur Verfügung, dessen Schallabgabe nach vorne über die schwarze Front-Abdeckung erfolgt. Dem seitlichen Hochtöner steht ebenso ein eigener Arbeitsbereich zur Verfügung, wie auch den beiden vorderen Membranen. Zum Auskoppeln steht dem Bandpass zusätzlich eine große Kammer im oberen Bereich der Box bereit. Die Entwicklung einer gut klingenden 4-Wege Box ist deshalb so kompliziert, weil besonders in den mittleren Frequenzen eine Trennung zwischen 2 Lautsprechern erfolgt, die im sensiblen Sprachbereich liegt und deswegen Ungenauigkeiten sehr schnell auffallen würden. Um diesem Problem vorzubeugen, hat Herr Dr. Gauder bei der Vieta eine vom Top-Modell „EuropaII“ abgeleitete Weichenbestückung vorgenommen. Diese bewirken durch eine hochwirksame Filterzusammenstellung extrem steile und genaue Übergänge mit dem Ergebnis, dass durch diese äußerst exakte Trennung der Arbeitsbereiche keine Klangeinbußen zu erwarten sind. Die Vieta kann nun sogar von ihrem Aufbau profitieren, da die einzelnen Membranen im Gegensatz zu 2,5 Wege Systemen nur ihren eigenen, verhältnismäßig kleinen Frequenzbereich wiedergeben müssen und nicht durch große Nebenanforderungen wie der Bass-Wiedergabe (Beispiel Mitteltöner) belastet werden. 

Der Hochtöner profiert zusätzlich von einer Isophon-typischen Besonderheit: Eine Zeitkorrekturplatine sorgt dafür, dass selbst kleinste Phasen- oder Frequenzabweichungen auf der Zeitachse mit dem restlichen System synchronisiert werden. Isophon verspricht mit diesem Feature eine gesteigerte Klangpräzision und ein besseres räumliches Abbilden der Musik. Zurück zum Gesamtaufbau: durch die insgesamt 5 Lautsprecher steht somit auch eine sehr große, gesamte Membranfläche zur Verfügung, um der Musik noch mehr Entfaltungsfläche zu bieten. Ob sich diese Theorie dann jedoch auch in der Praxis bewährt, wird unser folgender Hörtest aufdecken. Zunächst einmal sei gesagt, dass dieser Aufbau einen handfesten Nachteil mit sich bringt. Die Anforderungen an den Leistungs-Verstärker sind enorm gestiegen. Isophon gibt zwar einen passablen Wirkungsgrad von 86db (1 Watt , 1 Meter Messabstand an), in unseren Praxistests hat sich aber recht schnell herausgestellt, dass bei großen Bass- und Höhenanteilen weit mehr vom Verstärker abverlangt wird. Eine testweise angeschlossene Vincent SP-993 Endstufe bestätigte unseren Eindruck:

Eine angezeigte Leistungsabgabe von um die 20 Watt war bei so manchem Lied durchaus keine Seltenheit. Wohlbemerkt: Wir reden hier lediglich von „angenehm lauten“ Pegeln um die 95db. Zum Vergleich: Eine Nubert NuWave125 mit ebenfalls ca. 86db Wirkungsgrad-Angabe ist selbst bei noch höheren Lautstärken kaum über 5 Watt zu bekommen ! Wer jetzt denkt, dass ja selbst 20 Watt keine Herausforderung für eine Endstufe darstellen, irrt. Die Werte auf der Vincent Endstufe sind lediglich gemittelte und äußerst träg errechnete Grob-Angaben. Speziell die Höhen und Bässe können kurzzeitig ein Vielfaches an Leistung abverlangen. Sollte dann die Endstufe nicht mehr Herr der Lage sein, kann es mitunter zu nachlassender Präzision und einer Dynamikkompression im Bassbereich führen, im schlimmsten Fall zum gefürchteten Clipping im Hochtöner. Ganz klar: Um Sylvester das halbe Stadtviertel zu beschallen, ist die Vieta weniger gedacht, aber mit einem potenten Verstärker an ihrer Seite sind ebenfalls imposante Pegel möglich, wenngleich hierfür eine Nubert NuWave125 noch höhere Belastungsgrenzen hat. 

Erschwerend kommt für die Endstufe im Falle der Vieta aber noch hinzu, dass Band-Pässe generell eher niederohmig sind. Werte von weit unter 3 Ohm können durchaus auftreten. Aus diesem Grunde empfehlen wir, nicht an der Elektronik zu sparen. Obwohl die Lautsprecher mit einer Sinusbelastbarkeit von 220 Watt angegeben sind, reicht eine lediglich oberflächliche Betrachtungsweise nicht aus, um eine adäquate Unterstützung zu finden, denn selbst bei 3000 €  teuren Mehrkanalendstufen wie den jüngst vorgestellten Rotel RMB-10195 und Vincent SAV-P200 (mit Leistungsangaben von 5x330 bzw. 6x 250 Watt an 4 Ohm) sollte man das Betreiben per Bi-Amping zumindest dann in Erwägung ziehen, wenn gerne laut gehört wird.

Selbstverständlich können auch Benutzer von AV-Receivern oder anderen „bürgerlichen“ Geräten in den Genuss der Vieta kommen. Es sollte dann aber unbedingt auf erste Anzeichen von Unsauberkeiten geachtet werden, wenn laute Pegel vorherrschen, um weder der Box noch der Elektronik zu schaden. Und deswegen empfiehlt es sich, in vielen Mehrkanal-Systemen, die keine Endstufe vom Schlage eines Audionet Amp7 beinhalten, im Surround-Modus trotz der tiefreichenden Bass-Möglichkeiten der Vieta eine recht hohe 80- oder 100Hz Subwoofer Trennung am Receiver vorzunehmen, um die immensen Leistungsanforderungen des Isophon-Schallwandlers im Tiefbassbereich zu umschiffen. 

Klang
  • Testaufbau:
    Vor/Endstufe: Audionet MAPV2 mit EPS Modul und AMP7 
    CD Player: Vincent CD-S3
    Raum: 4,5x5,5m² , akustisch durch RTFS Absorber optimiert um den Eigenklang des Raumes zu minimieren und den Klang der Testgeräte zu betonen. 

Nach den Worten der Warnung und dem technischen Auseinandersetzen mit diesen Lautsprechern steht nun der eigentlich wichtigste Teil auf dem Programm. Recht schnell stellte sich schon bei Beginn der Hörtests heraus, dass die beiden Vietas mit einem gehörigem Faszinationspotential aufwarten können und uns mit superben Qualitäten überraschten, obwohl die Erwartungshaltung schon recht hoch angesiedelt war. Im Wesentlichen zeichnet es die Vieta aus, dass sie „komplett“ klingt. Viele ähnlich dimensionierte Lautsprecher leiden unter einem dünnen, kraftlosen (oftmals auch glanzlosem) Klangbild. 

Ganz anders die beiden Isophon-Lautsprecher: Das Bass-Fundament wirkt wie felsenfest in Granit eingemeißelt, leistet sich keine Spur an störender Unsauberkeit und zwängt sich dennoch nicht der Musik auf. Der Bass ist allpräsent, ohne in störende Überbetonung zu verfallen, bietet ein souveränes Fundament und keine oberflächliche Kosmetik. Also ein ehrlicher, verlässlicher Bass, dem jeder Hang zur künstlichen, unpassenden Übertreibung abgeht. Der Hochtonbereich wird mit einer solch hohen Auflösungsgabe wiedergegeben, dass selbst die kleinsten Klangdetails harmonisch in der Gesamtwiedergabe zu finden sind, verfällt aber glücklicherweise nicht in ein zu analytisch wirkendes  Klangbild, welches zwar mancher Highend HiFi-Purist schätzt, was aber inzwischen landläufig auch bei sehr anspruchsvollen Hörern aufgrund des eher zurückhaltenden Faszinationspotentials nicht mehr unbedingt im Trend liegt. Die Vietas haben nicht die Charakteristik eines präzise und gewissenhaft, aber etwas phantasielos arbeitenden Buchhalters, sondern verkörpern Spaß und Laune an der Musik, ohne dabei für ernste Aufgaben ungeeignet zu sein. Auch wenn eine feinnervige Umsetzung, etwa bei Klassik-Aufnahmen gefragt ist, wird sie höchsten Ansprüchen absolut gerecht, ergänzt diese aber mit einer ordentlichen Portion Dynamik und Spielfreude, wie wir beispielsweise bei einer grandiosen Umsetzung von Guiseppe Verdis "Rigoletto" bemerkten. 

Im Übrigen kommt hier die ebenfalls exzellente Stimmwiedergabe zum Vorschein. Die markante, facettenreiche Stimme von Luciano Pavarotti bauen die beiden Vietas in unserem Klangbeispiel bravourös auf und verleihen der Stimme darüber hinaus durch die hervorragende räumliche Abbildung fast schon greif- und sichtbare Konturen. Es wäre jedoch ein Fehler, die Vietas als typische High-End Box für Klassikliebhaber abzustempeln. Um einen großen musikalischen Bogen zu spannen, steigen wir nun von einer gänzlich anderen künstlerischen Sparte her in das Geschehen ein und fordern die Lautsprecher nun mit diversen Speed-Metal Songs vom Klassiker-Album „Reign in Blood“ von Slayer. Kreischende Gittarren und nicht minder laute Gesänge erschüttern zusammen mit einem Bass-Gewitter den Hörraum. Und inmitten dieser fordernden Situation behalten die Vietas die Zügel fest in der Hand. Eine punktegenaue, massive Bass-Darbietung, selbst bei denkbar schnellsten Rhythmen und eine akustisch stimmige Einarbeitung der harten Gitarren-Riffs gelingen ihr auf das Vortrefflichste. 

Für Freunde der härteren Stilrichtung äußerst wichtig: Obwohl die E-Gitarren hingebungsvoll detailliert werden, bleibt die „kantige“, „scharfe“ Umsetzung erhalten - ohne es jedoch zu einem Punkt zu treiben, der für das Ohr als zu anstrengend oder gar schrill empfunden wird. Aber auch an dieser Stelle der Hinweis nach dem richtigem Verstärker, denn solche Qualitäten kann natürlich ein langsam spielender Verstärker sofort im Keim ersticken, die Lautsprecher sind dann nicht in der Lage, das volle Potential ausschöpfen. Doch auch abseits von brillant singenden Tenören und raumdurchdringend schreienden Heavy Metal-Sängern kann man die Vieta nicht auf dem falschen Fuß erwischen. Die sentimental, stimmungsvolle Pop-Ballade „Sorry seems to be the hardest word” von Elton John entlockt beispielsweise mit der verblüffend echten Klavier- und Gesangswiedergabe dem Zuhörer ein sehr großes Maß an Emotionen. 

Fahren wir aus Aktualitätsgründen mit der orchestralen Musik fort, welche auf dem Soundtrack-Album des neuesten Star Wars-Teils „Revenge of the Sith“ enthalten ist. Schon bei Track Nummer 1, der klassischen Star Wars-Hymne, schafft es die Vieta, ungemein differenziert und mit einem sehr hohem Auflösungsvermögen jedes der spielenden Instrumente herauszuarbeiten und harmonisch in die Wiedergabe einfließen zu lassen. Beim Übergang nach ca. 90 Sekunden in die Untermalung der „Coruscant“- Weltraumschlacht stellen die Boxen – genau wie bei den tiefen Beckenschlägen ca. 2 Minuten später - im wahrsten Sinne des Wortes eindrucksvoll unter Beweis, dass auch die Abteilung Tiefbass im gleichen Maße begeistern kann wie die hochauflösenden Kollegen im Hochtonbereich. Dabei wird jedoch nie das Gleichgewicht in der Musik zugunsten einer speziellen Klangauslegung aufgegeben, und genau das ist es, was uns in der Summe so begeistert. 

In Track 4 beispielsweise ertönen chorale Begleitungen zusammen mit Geigen und Trompeten einzeln sehr gut voneinander getrennt, jedoch trotzdem harmonisch zusammenspielend. Es werden also nicht nur alle einzelnen Klangbereiche jeweils herausragend wiedergeben, sondern verschmelzen zusätzlich nahtlos ineinander. Und zusammen mit der großen Spielfreude sowie der exakten räumlichen Abbildung fasziniert die Vieta ungemein. Die Unterschiede zur Nubert NuWave125 fallen sehr deutlich aus. Man gewöhnt sich sehr schnell an den hervorragenden Klang der beiden, edlen Isophon-Schallwandler, aber direkt nach dem Umschalten auf die NuWave125 fällt erst richtig auf, wie substanzreich und klar ortbar das Geschehen mit den Vietas zuvor wiedergegeben wurde. Selbstverständlich wissen wir, dass selbst die Vieta-Standardvariante fast dreimal mehr als die Nubert kostet, doch wie schon in der Verarbeitung spiegelt sich dieser Abstand auch in der Klangqualität deutlich wieder, legt man Wert auf allerhöchste Detailfeinheit und eine extrem hohe Transparenz.

Und hierbei ist es dann auch ohne Bedeutung, ob wir nun von Klassik, Heavy Metal oder anderer Musik sprechen. Die Vieta arbeitet einfach jede Einzelheit, jedes spefizische Detail heraus, was in ihrer Preisliga ebenfalls nicht selbstverständlich ist. Due nuWave 125 schlägt locker viele doppelt so teure Standlautsprecher und kann mit sehr starken Verstärkereinheiten zusammenarbeiten, aber diesen ungeheuren Reigen feinster Modellierung, der die Vieta auszeichnet, kann sie nicht bieten. Daher wirkt das gesamte Klangbild nicht ganz so tiefgründig und nicht ganz so brillant. Die Vieta dokumentiert eindrucksvoll, dass die zugegebenermaßen hohe Summe, die bei ihrem Kauf den Besitzer wechselt, in Relation zum klanglichen Genuss sehr gut angelegtes Geld sind. 

Andere Konkurrenten, die sogar nochmals teurer sind als die Vieta, können diesem Ausnahme-Schallwander nicht das Wasser reichen. Zu nennen wäre die KEF Reference 205, sie kann es mit der Lebendigkeit und Allround-Tauglichkeit der Vieta nicht aufnehmen und konzentriert sich auf eine besonders hohe Detailtreue und ausgezeichnete Höhenauflösung, ihre Stärken kommen vornehmlich bei komplexer Musik zur Geltung. Es fehlt jedoch an Nachdruck und Dynamik. Eindeutiger Pluspunkt der KEF-Box ist jedoch der mit 90db deutlich bessere Wirkungsgrad, und auch den durch die Bass-Reflex-Konstruktion niedrigeren Qualitätsbedarf in Punkto Verstärker. Diesen Faktor kann auch die mit 3400 € / Paar deutlich günstigere Quadral Platinum M für sich verbuchen, muss sich aber trotz ähnlich hoher Spielfreude und Dynamik zusammen mit der NuWave125 hinter der Vieta einordnen. Der Grund hierfür liegt letztendlich bei beiden Lautsprechern in der Detailherausarbeitung und Klangtreue, die nicht an das Niveau des teureren Isophon-Modells heranreicht. Trotzdem sind auch diese beiden Modelle in der Lage, anspruchsvollen Hörern durch ihre Ausgewogenheit und ihres ebenfalls auf Klangdynamik und –Erlebnis ausgerichteten Charakters für sich zu gewinnen. Ganz anders die Magnat Quantum 908 ( 3500 € / Paar). Sie setzt alles auf eine Karte und legt die komplette Aufmerksamkeit auf eine effekt- und druckvolle Darbietung, legt dabei aber zu wenig Wert auf feingeistige Klangaspekte, so dass hier audiophil veranlagte Menschen keine Alternative finden. Der Wirkungsgrad der Quantum 908 verlangt nach kraftvollen Endstufeneinheiten. Unsere Bilanz: Die Vieta verbindet äußerst gekonnt mehrere Vorzüge miteinander und bietet so klanglich keinen Kritikpunkt, sondern spielt universell, also unabhängig von der Musikrichtung, ganz groß auf.

Fazit

Natürlich ist es schwierig, die Vieta in Bezug auf den Kaufpreis und die Verarbeitung exakt einzuordnen. Dafür variieren beide Faktoren zu stark in Abhängigkeit von der gewählten Ausstattung, aber unabhängig davon bewegen sich diese Lautsprecher nicht in preislich für fast alle "normal Sterblichen" unerreichbaren Regionen jenseits der 15.000 €-Grenze (wie zum Beispiel die JBL K2 S5800). Ein wirklich billiges Vergnügen stellen die Vietas trotzdem nicht dar, vor allem dann nicht, wenn man zusätzlich die Basis- oder Folge-Investitionen mit in Betracht zieht, die auch bei der die 5500 €-Grundversion in der Ausführung Esche schwarz stellt geleistet werden müssen. Denn auch diese Schallwandler stellen die gleichen, hohen Anforderungen an den Verstärker wie unser 7759 € kostendes Test-Paar: Leistung satt, niederohmige, stabile Spannungsversorgung und eine passende Klang-Charakteristik sollte der Musik-Freund den Vietas in Form einer sehr kräftigen, belastbaren Verstärkerlösung zur Seite stellen. Diese bedanken sich durch akustische Glanzleistungen bei allen Musikrichtungen und bereichern das Wohnambiente mit ihrer eleganten Erscheinung. Wer mit seinem 5000 €-Surround-Set zwar sehr zufrieden ist, aber im Bereich Stereo-Darstellung neugierig auf neue Klang-Erlebnisse ist, sollte sich die Vieta auf jeden Fall einmal anhören, zumal einer späteren, kompletten Surround - Erweiterung ebenfalls keine Steine im Weg stehen. Doch in erster Linie richtet sich die Vieta an die Stereo-Käuferschaft und bereitet eine große Freude beim Genießen von Musik. Dies hat uns mit den Boxen derart viel Spaß bereitetet, dass wir uns des öfteren dabei ertappt haben,  alle möglichen Sorten der eigenen Lieblings-Musik mit den Vietas stundenlang anzuhören und viele Details neu zu entdecken. Genau dieses Erlebnis konnte in diesem Maß kein anderer uns bekannter Lautsprecher derselben Preisklasse  - zumindest bislang - bei uns hervorrufen.

Der traumhafte, harmonische und detaillierte Klang für alle Musikrichtungen macht die Vieta zum formschönen Allrounder

Stereo-Lautsprecher Highend-Klasse
Test 13. Juni 2005
Preis-/Leistungsverhältnis:

+ hervorragende klangliche Eigenschaften für alle Musikrichtungen
+ tiefreichende, knackige Bass-Wiedergabe macht Subwoofer-Einsatz unnötig
+ Gehäuseverarbeitung und Materialauswahl auf sehr hohem Niveau
+ kompakte Abmessungen und gefällige Optik machen die Boxen wohnraumtauglich
+ 10 Jahre Garantie und vielfältige Erweiterungsmöglichkeiten zum Surround-Set umrahmen den positiven Eindruck

- hohe Ansprüche an die Elektronik, speziell die Endstufe muss hohen Anforderungen genügen
- zwar ist die Box prinzipiell sehr pegelfest, aber trotzdem nicht für extreme Lautstärken konzipiert
- Anschlussterminal könnte ergonomischer sein

Test: Lars Mette

13. Juni 2005