Der englische Patient |
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Studio |
Miramax Films (1996) | |
Verleih |
BMG Video (1999) | |
Laufzeit |
ca. 155 min. | |
Regie |
Anthony Minghella | |
Darsteller |
Ralph Fiennes, Kristin Scott Thomas, Juliette Binoche, Willem Dafoe | |
DVD-Typ |
DVD - 9 | |
Fernsehnorm |
PAL | |
Bildformat |
1,85:1 (anamorph) | |
Audiokanäle |
Deutsch,
Dolby Digital 5.1 |
|
Untertitel |
Deutsch | |
Regionalcode |
2 | |
Verpackung |
Super-Jewel-Box | |
Preis |
ca. 60 Mark |
Film
Italien, 1944. Der
jungen kanadischen Krankenschwester Hana wird als Sonderauftrag die Betreuung eines durch
schwere Brandwunden entstellten Mannes übertragen, der darüber hinaus an Amnesie leidet,
so dass er nur als "der englische Patient" bezeichnet wird. Die beiden bleiben
allein in einem ehemaligen Kloster zurück. Allmählich beginnt sich der Mann
bruchstückhaft an die Vergangenheit zu erinnern. Stück für Stück beginnt er die
Ereignisse zu erzählen, die zu seinem gegenwärtigen Zustand führten:
Ende der dreißiger Jahre ist in Afrika ist ein internationaler Vermessungstrupp
unterwegs, um Karten über Nordafrika anzufertigen. Unter ihnen ist auch der ungarische
Graf Lászlo Almásy, der sich in Katharine Clifton, die Frau eines Kollegen verliebt. Sie
stürzen sich in eine Affäre, doch übergeordnete Interessen aufgrund des Beginns des
zweiten Weltkrieges zwingen die Protagonisten auseinander. Später kommt es in der Wüste
zu einem Absturz des Flugzeuges von Geoffrey Clifton, der Kenntnis von der Affäre
erhalten hat, mit ihm und Katharine an Bord. Almásy muss Katharine in der Wüste
zurücklassen und verspricht Hilfe zu holen, aber die Kriegshandlungen haben sich
inzwischen auf diesen Teil Afrikas ausgedehnt und er gerät durch einen Irrtum in
britische Gefangenschaft. In einem letzten verzweifelten Versuch, die Geliebte noch zu
retten, arbeitet er mit den Deutschen zusammen.
Während der englische Patient seine Geschichte erzählt, taucht im Kloster noch Caravaggio auf, ein jetzt morphiumsüchtiger Dieb, der vorher für die Amerikaner arbeitete und durch die Nazis an seinen Händen verstümmelt wurde, ein Ereignis, dass er auf das Vorgehen Almásy zurückführt.
Parallel dazu erlebt Hana den Beginn einer eigenen Liebesgeschichte, als sie bei wiederholten Begegnungen mit dem Bombenexperten Kip diesem allmählich näher kommt.
Die zentrale Liebesgeschichte weist den "englischen Patienten" als
typisches großes Gefühlskino aus, mit allen Elementen die dieses Genre charakterisieren:
Eine große, tragische Romanze, vor dem Hintergrund hochdramatischer historischer
Ereignisse, in einer Umgebung, die durch ihre stimmungsvollen Landschaftsbilder schon von
sich aus geeignet ist, die Gefühlswelt des Zuschauers tief zu berühren. Doch hätte die
Verfilmung von Michael Ondaatjes Roman sich allein darauf beschränkt und somit im Rahmen
dessen gehalten, was oft und auch in großer Perfektion schon häufig auf der Leinwand zu
sehen war, hätte "Der englische Patient" nicht die große Wirkung erzielen
können, die ihn letztendlich ausmacht. Regisseur Anthony Minghella ist einen anderen Weg
gegangen; anstatt die Klassiker des Genres durch ein Mehr übertrumpfen zu wollen und
damit in die Gefahr der Übertreibung und des Kitsches zu geraten, nimmt er in der
Inszenierung stattdessen die Betonung ein wenig zurück. Die dargestellten Gefühle
erhalten eine besondere Authentizität, da Minghella statt mit der richtigen Mischung der
bekannten Zutaten zu kalkulieren, auf einem allmählich steigernden Mitfühlen mit den
Protagonisten aufbaut. Doch bedeutet dies auch, dass auf seine Darsteller ein größerer
Teil Verantwortung für das Gelingen des Filmes übertragen wurde.
Auf der einen Seite steht Graf Lászlo Almásy. Dieser entspricht an sich wenig dem Bild,
das von der Hauptperson in einer filmischen Liebesgeschichte erwartet wird. Er zeigt sich
besitzergreifend, egozentrisch, ja geradezu arrogant und zwar auch gegenüber seiner
Geliebten; sein Auftreten ist damit nicht gerade darauf ausgerichtet, die Sympathie des
Zuschauers zu erlangen. Aber im Verlaufe der Erzählung schimmern von Zeit zu Zeit warme,
menschliche Regungen unter der schroffen Fassade hervor. Und als er gezwungen ist, alles
für die Rettung der Geliebten einzusetzen, tritt unter der Maske der kühlen
Selbstsicherheit die Größe seiner Gefühle zu Tage. Es ist dieser veränderte
Blickwinkel auf die Figur, welche entscheidend dazu beiträgt, der Tragik der Situation
ihre besondere Geltung zu verleihen. Diese Inszenierung findet ihre optimale Entsprechung
in Ralph Fiennes konzentriertem Spiel. Sorgfältig wird von ihm der Charakter seiner Figur
entwickelt. Durch die dichte, schnörkellose Darstellung bleibt der Figur in jedem Moment
des Filmes ihre Glaubwürdigkeit bewahrt, sowohl in den Erinnerungen an Afrika, als auch
in der Person des entstellten Patienten.
Dem Part der Katharine fehlt ebenfalls das sentimental-schwärmerische Element; auch als
sich die Liebesbeziehung intensiviert bleibt stets eine Spur von Zurückhaltung in ihrem
Wesen bestehen. Die Regie Minghellas verbannt die großen Gesten, die aus Liebesmelodramen
im Film so bekannt (und abgenutzt) sind, in eine Randposition: Der dramatische Kuss, ein
tränenreicher Abschied oder sehnsuchtsvoll-pathetische Appelle fehlen im "englischen
Patienten". Umso ausdrucksstärker finden sich die romantischen Zwischentöne in den
beredten Blicken, den Andeutungen eines Lächelns, selbst in den Betonungen der Worte:
Eindrucksvoll beweist sich dies in der Szene des Abschieds von Katharine und Almásy. Die
absolute Gewissheit, welche in ihrer Stimme liegt, als Katharine versichert, dass er sie
vermissen werde, enthält mehr Empfindung als eine offene dramatische Geste es vermocht
hätte. Die subtilen Offenbarungen der verdeckten Gefühle ihrer Figur ist dem
nuancenreichen Spiel von Kristin Scott-Thomas zu verdanken. Sie prägt damit die
Liebesgeschichte weit mehr als Ralph Fiennes, dessen Almásy zwar nach außen hin der
aktivere Part ist, aber trotzdem hinter Kathrin zurücktritt. Ist diese doch die
eigentlich Stärkere in der Beziehung, nur dass sich ihre Stärke vor allem in ihren Augen
anstatt in ihren Aktionen wiederspiegelt.
Im Gegensatz dazu bestand für Juliette Binoche die Herausforderung, mit der
Krankenschwester Hana eine Figur mit einem sehr gefühlsbetonten Charakter durch die
Geschichte zu führen. Der Rolle dabei das nötige Gleichgewicht zu verschaffen, bei
Erlebnissen, die vom Tod von Freunden bis zu einer neuen Liebe reichen, setzte
darstellerisches Fingerspitzengefühl voraus, über das Juliette Binoche glücklicherweise
verfügt. Ihr gelingt es, sowohl Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit als auch pure
Lebensfreude und Ergriffenheit voll auszuspielen, ohne der Gefahr der Überzeichnung zu
erliegen, so dass sich auch die emotional überhöhten Szenen noch in der Balance halten.
Neben den Darstellern ist es die Art der Bebilderung, die Regisseur Minghella für die
Erzählung der Geschichte gewählt hat, die den "englischen Patienten"
auszeichnet. Davon legt schon der Beginn deutlich Zeugnis ab, als der Schattenriss des
Flugzeuges wie gemalt über die endlosen Dünen gleitet und einen Moment trügerischer
Ruhe vorgibt.
Interessant ist aber vor allem, wie der Kontrast im Gefühlsausdruck der beiden weiblichen
Hauptrollen in den Farbtönen seine Fortsetzung findet. Die Hauptgeschichte ist geprägt
von den Farben der Wüste; die allgegenwärtigen Braun- und Gelbtöne erschaffen eine
melancholische Atmosphäre, welche schon beim Beginn der Liebesbeziehung eine Stimmung der
Vergänglichkeit über ihr lasten lässt.
Konträr dazu, im Einklang mit der Gefühlswelt Hanas, finden sich dagegen die Farben der
Rahmenhandlung: Die Zurückgezogenheit des Klosters mit den düsteren Räumen und ihren
vom Verlust geliebter Menschen geprägten Gedanken wird aufgehellt vom sattem Grün des
Gartens und dem Blau ihres Kleides, das vor den kahlen Wänden aufzuleuchten scheint;
besonders auffällig ist die Kraft der Farben in der Szene als der Regen kommt und vor dem
Hintergrund des tiefblauen Himmels die pralle Vegetation im hellen Aufleuchten der Blitze
glänzt. Und vor allem ist an die verzauberten Wandbilder in der Kirche zu denken, die im
Fackelschein beinahe wie lebendig werden und deren märchenhafte Stimmung Hana für die
Dauer des Aufenthaltes aus der Realität entkommen lässt.
Das Drehbuch vermeidet trotz der episodenhaften Erzählstruktur Brüche in den Spannungsbögen. Die Verbindung der zwei Erzählstränge in Afrika und Europa erfolgt in einem abgestimmten Zusammenspiel zwischen den Ereignissen der Gegenwart in Europa, welche die weitere Aufdeckung des Vergangenen vorantreiben, was wiederum das Denken der Protagonisten in der Gegenwart beeinflusst. Beide Liebesgeschichten haben darüber hinaus im Krieg, als gemeinsamen historischen Hintergrund, ein weiteres verbindendes Element, wenn auch unter anderen Vorzeichen: Während die vergangene Beziehung vom drohenden Ausbruch des Krieges überschattet war, steht die neue unter der steten, tödlichen Gefahr durch Minen und Bomben, die Relikte des sich dem Ende zuneigenden Krieges.
Es hat sich damit im Nachhinein als glückliche Fügung herausgestellt, dass 20th
Century Fox, die den Film ursprünglich mit mehr Geld aber wesentlich geringeren
Ambitionen produzieren wollten (gerüchteweise mit Demi Moore in einer der Hauptrollen),
später Abstand genommen haben und das Projekt an Miramax weiterreichten, die dem
Produzenten Saul Zaentz und Regisseur Minghella freie Hand ließen.
"Der englische Patient" setzt die Reihe großer dramatischer Liebesgeschichten
fort, ein Umstand, dem er seine Oscars verdanken dürfte, seine kunstvolle und
eindringliche Darstellungsform zeichnet ihn jedoch schon von sich aus als
außergewöhnliches Filmwerk aus.
Bild
Auffallend sind die satten Farben, die neben dem guten Kontrast maßgeblich dazu beitragen, dass von der Atmosphäre des Filmes nichts verloren geht. Gelegentlich treten jedoch Fehler in Form von Bildrauschen, Nachlassen der Schärfe und leichte Nachzieheffekte auf. Diese Minuspunkte sind aber glücklicherweise in ihrer Erscheinungsform so unauffällig, dass sie den Gesamteindruck kaum beeinflussen können.
Ton
Der Film zeigt eine beeindruckende Klangkulisse. Dies gilt sowohl im Großen, dass heißt dem umfassenden Rundumklang, der eine weit gefasste Räumlichkeit erzeugt, als auch im Kleinen: Jedes noch so geringe Nebengeräusch ertönt in einer auffallenden Präzision; so scheint beim Sturm in der Wüste jedes einzelne Sandkorn für sich alleine akustisch wahrnehmbar zu sein. Die Dialoge sind kraftvoll, aber trotzdem in die Umgebungsgeräusche optimal eingepasst. Und auch die Musik fügt sich ideal ein und kommt so angenehm zur Geltung.
Special Features
Sehr gelungen und originell ist die kunstvolle Gestaltung des Menüs. In Form eines Buches dargestellt wird der Übergang zum jeweils nächsten Punkt durch ein Umschlagen der Seite illustriert. Die Kapitelübersicht arbeitet nicht nur mit bewegten Bildern sondern darüber hinaus sogar mit dem Ton der jeweiligen Szene. Im weiteren gibt es ein ca. 15-minütiges "Making of", bestehend aus sechs Minuten Produktionsausschnitten mit englischsprachigen Kurzinterviews der Stars und des Regisseurs und neun Minuten unkommentierter Aufnahmen von den Dreharbeiten diverser Szenen. Das Menü enthält außerdem noch schriftliche Kurzinformationen über die Hauptdarsteller, sowie, neben den Trailern anderer Miramax-Filmen, noch zwei Trailer zu "Der Englische Patient", einer in deutscher Sprache und sehr schlechten Bildqualität und der amerikanische Originaltrailer.
Review von Tobias Wrany
11.11.1999