Test: Nubert nuLine102 + ATM102
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Klang

Jedes Mal wenn die grauen Kartons aus Schwäbisch Gmünd in einem unserer Teststudios eintreffen, macht sich eine gewisse Vorfreude bei den Testern bereit. Nubert Boxen haben bislang nicht nur durch gute Testergebnisse auf sich aufmerksam gemacht, sondern schlichtweg auch beim Hören sehr viel Spaß bereitet. Sie als Leser mögen vielleicht annehmen dass es ein Lautsprechertest sowieso grundsätzlich immer Spaß macht, aber offengestanden gibt es durchaus Ausnahmen. Etwa dann, wenn ein Testprobant etwas zurückhaltend oder unkultiviert zu Werke geht, sind wir nicht selten froh, die Produkte nach dem Test wieder an den Hersteller zurückzusenden. Zu der entgegengesetzten Kategorie gehört insbesondere die nuLine102. Man kann einem Lautsprecher fast kein besseres Kompliment machen, als dass die Redaktion auch außerhalb der eigentlichen Hörsitzungen vor den Boxen sitzt und mit großem Genuss der eigenen Lieblingsmusik lauscht. Das besonders faszinierende daran ist, dass die nuLine102 nicht nur die "Hardcore-Fraktion" (Industrial, Dark-Wave, Schranz) anspricht, sondern gleichzeitig auch für Freunde der etwas ruhigen Töne hervorragend geeignet ist. Kaum ein Lautsprecher dieser Preisklasse kann mit einer solch universellen Klangauslegung punkten. Einen großen Anteil hieran hat zweifelsohne die sehr homogene Klangcharakteristik. Hier spielt sich kein einzelner Frequenzbereich in den Vordergrund, zumal auch die Übergänge (zB. zwischen Hoch- und Mitteltöner) von einer geschmeidigen, homogenen Spielweise gekennzeichnet sind. Außerdem macht sich in dieser Beziehung auch die Integration der Klangschaltwippen sehr positiv bemerkbar, schließlich lassen sich damit kleinere Anpassungen an Hörgeschmack, Raumakustik und/oder Musimaterial einfach und effizient vornehmen. 

Wer die nuLine102 ohne ATM kennenlernt, wird sich anfangs eventuell fragen, warum aus den beiden Bass-Chassis nicht mehr Substanz bzw. Fundament herauskommt. Die schlanke Standbox spielt standardmäßig recht präzise, verzichtet aber auf die üblichen Bass-Überhöhungen anderer Hersteller und klingt dadurch im ersten Moment etwas dünn. Wundern Sie sich also nicht, wenn beim ersten Vergleichshören selbst so manche Kompaktbox etwas fülliger erscheinen mag. Etwas Abhilfe kann zwar die Klangschaltung an den Lautsprecher-Terminals bewirken, aber nach wie vor gehört die nuLine102 nicht zu den Vertretern ihrer Gattung, die ihre Zuhörerschaft mit einem fundamentalen Bassteppich erstickt. Dafür besticht sie jedoch mit anderen Qualitäten, welche meist erst nach und nach wahrgenommen werden: sie besitzt in den tiefen Frequenzen eine gute Differenzierungsgabe und konturiert auch komplexe Bass-Stafetten sehr genau aus. Außerdem gelingt ihr die dynamische Einarbeitung sehr viel differenzierter, als beim Großteil der direkten Mitbewerbermodelle. Tiefe, erschütternde Beckenschläge erscheinen nicht nur druckvoll und impulsiv, sondern unterscheiden sich ebenso in Bezug auf die "Plötzlichkeit" von anderen Musikinstrumenten. Diese Gabe bringen sonst meist nur deutlich teurere Lautsprecher mit, so dass wir die "nackte" nuLine102 (ohne ATM) zwar nicht unbedingt Freunden einer basslastigen Darbietung ans Herz legen, aber dafür völlig bedenkenlos jedem audiophilen Gourmet mit feingeistigen Ansprüchen empfehlen.

Befindet sich das ATM102 im Signalweg, ändert sich die Basswiedergabe in einem wesentlichen Punkt: der vorher klassenübliche Tiefgang erreicht nun einen Bereich, den man ansonsten nur von sehr viel größeren Lautsprecher kennt. Diese Änderung reicht aus, um die nuLine102 als komplett neuen Lautsprecher kennenzulernen. Zusammen mit dem nun deutlich (!) massiverem Fundament gewinnt der gesamte Klangcharakter an Souveränität, Durchschlagskraft und räumlicher Tiefe. Aus der sonst eher etwas schlank abgestimmten nuLine102 wird ein charismatischer Bass-Könner, der weder in seiner Größen- noch Preisklasse einen Gegner findet, der dermaßen tiefe und substanzreiche Bässe bieten kann. Selbst die Präzision bleibt auf einem hohem Nivau und rangiert fast auf Augenhöhe mit der Variante ohne ATM. 

In Bezug auf die Raumabbildung erreichen die beiden schwäbischen Klangskulpturen ebenfalls hervorragende Leistungen. Sie lösen die verschiedenen Ebenen der Musik gut auf und positionieren diese in realistischer Weise im Raum. Besonders die Tiefenstaffelung erreicht hierbei ein Niveau, welches zur absoluten Klassenspitze hinzuzuzählen ist und für eine weitläufige Spielweise sorgt. Generell zählen die nuLine102 aber nicht zu den Lautsprechern, die der Musik Rauminformationen hinzu"dichtet" - etwa dann, wenn eine Aufnahme viele Monoanteile enthält.

Der kristallklare Hochtonbereich macht jedes Musikstück zu einem akustischen Hochgenuss: er spielt sehr detailliert und besitzt die Gabe sehr sensibel mit Musikmaterial umgehen zu können, so dass sich eine hohe Klangtransparenz und angenehme Luftigkeit/Gelassenheit einstellt. Auch die Wiedergabe von Stimmen gelingt der nuLine102 überzeugend. Auffalllend ist in diesem Zusammenhang, dass sie eine leichte, dezente Grundtonbetonung aufweist und speziell männlichen Interpreten etwas Volumen bzw. Substanz verleiht, als dies bei rigoros analytischen Lautsprecher der Fall ist. Generell fällt in diesem Zusammenhang auf, dass die nuLine102 die hohe Kunst beherrschen, gleichzeitig hochdetailliert aber dennoch niemals klinisch-analytisch oder sogar richtiggehend anstrengend zu klingen. Selbst unvorteilhaft abgemischte Stücke sind auf der nuLine102 anhörbar, ohne gleich Zahnschmerzen wegen eines übertrieben eifrig herausdetaillierendem Hochtöners leiden zu müssen. In extremen Fällen macht sich zudem die gleichmäßige Hochtonabsenkungsmöglichkeit der ATMs sehr bewährt. Andererseits legen die beiden silbernen Schallwandler mit feuriger Musik ebenfalls eine gute Sohle aufs Parkett und bringen die Vitalität und Ausdruckskraft in beeindruckender Weise zur Geltung. Diese Eigenschaft liegt zu einem großen Teil auch an der hohen Dynamik, welche die nuLine102 auszeichnet. Besonders große Schwankungen der Dynamik setzen sie mit Vehemenz und Spielfreude um. Da wundert es nicht, dass man sich öfters beim Rechtsdreh am Lautstärkeregler ertappt, denn solch Erlebnis möchte man intensiv genießen und sich voll und ganz der Musik hingeben.


Die gebotene Pegelfestigkeit zeigt sich (nubert-typisch) in einer sehr beeindruckenden Verfassung und dürfte selbst extrem pegelhungrigen Gemütern gehörig einheizen können. Die Akustik agiert stets klar und beherrscht; auch die hohen dynamischen Fähigkeiten bleiben bei sehr intensiven Lautstärken erhalten. Damit eignen sich die schlanken Boxen auch für die Beschallung von großen Räumen bis hin zu 50m². Es ist ohne Zweifel wirklich überraschend, wieviel Energie und Elan diese Lautsprecher versprühen können, ohne dabei angestrengt zu wirken. Lediglich bei der Einstellung des ATM sollte man mit Bedacht zu Werke gehen, denn wenn die Bassanhebung zu stark ist, verliert die Basswiedergabe zunehmend an Präzision, zumal auch kräftige Endstufen bei Pegeln jenseits der 95db sehr dankbar auf eine Deaktivierung des Bass-Equalizings reagieren.


Nun - eine "alte" nuLine100 hatten wir für einen Direktvergleich leider nicht zur Hand, doch anhand einer Gegenüberstellung mit anderen vorrätigen Nubert-Referenzen (verschiedene nuLine/nuWave Modelle) war durchaus zu erkennen, dass besonders im Hochtonbereich noch ein wenig mehr Transparenz und Feinfühligkeit mit dem neuen Hochtöner zu vernehmen ist. In Bezug auf Differenzierung im Bassbereich spielt sie ebenfalls noch etwas überzeugender auf, zumal uns auch die dynamischen Fähigkeiten als überlegen aufgefallen sind. Alles in allem scheinen uns die Unterschiede jedoch zu gering, als dass wir Besitzern einer hochwertigen Nubert-Box zu einem Upgrade raten würden. In den meisten Fällen dürften solche Anwender wesentlich größere Klangsteigerungen vernehmen, wenn das gesparte Geld in Raumakustikelemente investiert würde. Andersrum bedeutet die "nur" dezente Produktevolution, dass ein Mischen von "alten" sowie aktuellen nuLine-Modellen völlig problemlos möglich ist. Wenn Sie also einen CS-70 Centerspeaker einsetzen, können Sie bedenkenlos zur nuLine102 greifen und sich somit nicht nur über mitreißende Filmabende freuen, sondern auch exquisite Musikdarbietungen in ihren eigenen 4 Wänden genießen. 

Im Vergleich zu vielen anderen Lautsprechern macht die nuLine102+ATM102 Kombination eine äußerst gute Figur und kann sich dabei selbst mit hochpreisigeren Produkten (bezogen auf Listenpreise) messen. So hat sie zum Beispiel relativ leichtes Spiel mit der optisch ähnlichen Canton Karat 709DC (UVP 1000€/Stück), die nicht ganz an die Dynamik und tonale Ausgewogenheit der nuLine herankommt und zudem sowohl im Bass- als auch der Höhendarstellung keine adäquate Präzision/Detaillierung aufbauen kann, zumal auch der Darstellung von Stimmen etwas an Fülle und Substanz fehlt. Die Nubert-Boxen bieten zudem ebenfalls die etwas bessere Pegelfestigkeit, und klingen außerdem auch etwas räumlicher. Ein etwas engeres Duell liefert sie sich mit der Focal Chorus 836V (UVP 650 € /Stück). Die französischen Schallwandler übertreffen die Bass-Qualitäten der "nackten" nuLine102 in Bezug auf Temperament und Tiefgang, setzen dafür aber in der Zielsetzung des Hörerlebnisses etwas andere Schwerpunkte: wo die nuLine102 auf eine sehr ehrliche Charakteristik ausgerichtet ist und daher in Bezug auf Präzision und Detaillierung die Nase vorn hat, zielt die Focal auf Hörspaß durch einen mitreißenden, hochdynamischen Auftritt. Gegenüber der Monitor Audio Silver RS-8 (UVP 650 € / Stück) kann die nuline102+ATM-Kombination auf Anhieb mit der wesentlich "volleren" Bass-Wiedergabe punkten und verleiht Musik ein wesentlich größeres Fundament. Lässt man das ATM Modul außer Acht, weisen beide Lautsprecher eine recht ähnliche Charakteristik auf, wobei die nuLines etwas pegelfester zu Werke gehen und eine höhere Flexibilität (Klangwippen) verfügen. Die RS8 kontert mit der etwas besseren Feindynamik und läuft dank besserem Wirkungsgrad auch mit schwächeren Endstufen zur Hochform auf. Schlussendlich würden wir bei einer Kaufentscheidung auch die zur Verfügung stehenden Surround-Erweiterungen miteinbeziehen und hier liegt Nubert vor der Silver-RS Serie von Monitor Audio. Speziell große, leistungsfähige Modelle wie der Center CS-72 oder Rearspeaker DS-62 findet man bei Monitor Audio Silver-RS Serie leider nicht. Dass die nuLine102 mitsamt ATM noch nicht das Ende der klanglichen Fahnenstange markieren, konnten wir insbesondere beim Vergleich mit der Monitor Audio Gold Signature GS-60 (UVP 1500€/Stück) live erleben (siehe obiges Bild). Die erstklassig verarbeiteten GS-60 in edler hochglanz-schwarz Ausführung überholen die nuLines nicht nur optisch: die GS-60 baut unterhalb 40Hz zwar nicht mehr ganz so viel Druck wie die nuLine102 mit ATM auf, bleibt aber immer ein Musterbeispiel an Präzision und audiophiler Akkuratesse. Der Mittel- und Hochtonbereich punktet mit äußerster Präzision und Feingefühl, außerdem bietet die GS-60 auch in Bezug auf feindynamische Einflechtungen und Räumlichkeit das höhere Niveau. Wenn man den Preisunterschied bedenkt, zieht sich die nuLine102 hingegen äußerst wacker aus der Affaire, denn schließlich bleibt sie in Sichtweite gegenüber einem dem besten Lautsprecher der < 2000 Euro Klasse, den wir jemals in unseren Studios gehört haben. Die Quadral Certo (UVP 900 €/Stück) kann in vielen Bereichen (Detaillierung, Tiefgang, Präzision etc.) locker mit den nuLines mithalten, spricht aber nur einen eingeschränkten Käuferkreis an, da die Pegelfestigkeit und Grobdynamik deutlich unterhalb der nuLine102 liegt. Hier sollten daher eher Freunde des gepfegten, kultivierten Musikgenusses zugreifen, ansonsten bieten die Nubert-Boxen den universelleren Klangcharakter und schränken die Anwender nicht ein, was Lautstärke oder Musikgeschmack betrifft. Nicht weniger als einen Klassenunterschied mussten wir gegenüber der Magnat Quantum 908 (UVP 1749€/Stück) feststellen. Wer angesichts der Preisdifferenz nun aber meint, dass die unterlegene Box aus Schwaben kommt, der irrt gewaltig. Der Quantum 908 können wir leider in keiner einzigen Disziplin eine wirklich ebenbürtige Spielweise attestieren. Trotz der 4 Bass-Chassis bietet sie beispielsweise weder den Tiefgang (bezogen auf ATM), Präzision, Druck oder Pegelfestik, den Günther Nubert seiner nuLine102 verpflanzte. Zusätzlich ist es der Magnat-Box auch nicht vergönnt, eine audiophile Klangcharakeristik zu bieten - sie klingt sehr aggresiv und fokussiert eine diskoähnliche Wiedergabe mit betonten Kickbässen.

Wie Sie sehen, kann sich die nuLine102 mit den Besten der Preisklasse messern. Warum es jedoch schussendlich dann doch nicht ganz zu einem AREADVD Referenzprädikt reicht, liegt in den beiden Top-Produkten des schwäbischen Direktversenders begründet: wenn man die Kosten für die Boxen und ATM zusammenzählt, sind sowohl die nuWave125 als auch die (ebenfalls frisch überarbeitete) nuLine122 nur unwesentlich teurer und übertreffen ihre "kleine" Schwester in fast allen Belangen. Ohne Zweifel: Günter Nubert hat sich mit diesen beiden Dickschiffen ein Denkmal gesetzt - wir kennen derzeit keinen anderen Lautsprecher in der 1000 Euro Klasse, der gegen diese 40kg Modelle eine Chance hat. Selbst die ansonsten tadellose nuLine102 muss sich der fantastischen Räumlichkeit und vor allem der bestechenden Bühnenabbildung geschlagen geben. Diese Lautsprecher wären locker auch einen sehr viel höheren Kaufpreis wert. Übrigens gibt es auch für die großen Modelle ein ATM, dies benötigt man jedoch eigentlich gar nicht mehr, angesichts der brachialen Bass-Performance mitsamt wohldosierter leichter Kickbass-Betonung. Auch die Pegelfestigkeit liegt nochmals etwas höher, aber viel bedeutender ist vor allem die überlegene, fast schon audiophile Bass-Präzision bis in die untersten Frequenzen hinab. 

Doch gleich hinter diesen beiden Produkten darf sich die nuLine102 als dritte Kraft auf dem Siegertreppchen der Preisklasse einfinden. Es mag Mitbewerberprodukte geben, die in Einzeldisziplinen auf- bzw. knapp überholen können, aber die universell-harmonische Klangauslegung mitsamt der mitreißenden dynamischen Spielweise haben wir bislang bei keinem preisgleichen Schallwandler in dieser Güte vorgefunden. Hinzu kommt noch der oft sehr wertvolle praktische Nutzen der Schaltwippen, um die Lautsprecher an die Umgebung etwas anzupassen, was in dieser Form einzigartig ist. Dies trifft ebenfalls auf das Verhältnis von Boxengröße zu Bass-Fähigkeiten zu, sofern man das ATM hinzuzieht. Wer sich weder extrem große Lautsprecher, noch Subwoofer in das Wohnzimmer stellen will, wird eigentlich kaum eine basstaugliche Alternative zu den ATM-getunten nuLine102 finden. Insofern ist die nuLine102 also konkurrenzlos.

Interview: 

AREADVD: Wie dürfen sich unsere Leser die Entwicklungsgeschichte der nuLine102 vorstellen ? Sagen Sie sich als Entwickler irgendwann mal, dass es Zeit für einen Rundumschlag ist, oder ergab sich die Evolutionsstufe zB. aufgrund nicht mehr lieferbarer Zukaufteile am Markt ?

Günter Nubert: Die Entwicklungsgeschichte der nuLine 102 reicht eigentlich bis Mitte 1998 zurück. Damals haben wir an der Kombination elektrischer und akustischer Filter-Auslegungen gearbeitet, mit der sich die Impulspräzision im Bassbereich deutlich verbessern lässt. Im Sommer 2000 wurde die nuWave 10 vorgestellt, deren Tief- und Mitteltöner erstmals so sauber zusammenarbeiten, wie es ohne Hilfe eines DSP-FIR-Prozessors vorher kaum möglich war. Auf dieser Basis wurde Ende 2001 die nuLine 100 entwickelt, die bis 2006 mehrere „updates“ erhalten hat. Die Namensänderung von „nuLine 100“ zur „nuLine 102“ erweckt zunächst den Anschein, als hätten wir mit diesem Schritt nur eine einzige Verbesserung durchgeführt, indem lediglich der Hochtöner gewechselt wurde. In Wirklichkeit ist der Einsatz des neuesten Hochtöners gewissermaßen nur die Spitze des Eisbergs: Vor der Einführung der neuen nuLine-Linie wurden je nach Modell bis zu vier Updates durchgeführt, die zu immer besserer Linearität und Verzerrungsfreiheit führten. Auch wenn die Einzelschritte von der Auswirkung auf den Klang nicht so bedeutsam waren, sind die Unterschiede in der Summe gegenüber den 2001-Modellen aber doch wichtig, so dass die neuen Typenbezeichnungen den neuesten Stand der Entwicklungsstufen dokumentieren. 


AREADVD: Im Direktvergleich zwischen nuLine102 und der nuWave125 haben wir sofort Unterschiede feststellen können. Wie kommt es, dass zwei Lautsprecher, die beide als neutral und ehrlich deklariert sind, dann letztendlich doch so unterschiedlich klingen ? 

G.N.: Lautsprecher „kommunizieren“ mit dem Wohnraum in Abhängigkeit von ihrem Rundstrahlverhalten. Bei Hörtests im Freifeld klingt die nuLine 102 - bei Abstrahlwinkeln über 10 Grad - sehr ähnlich wie die aktuelle nuWave 125, wenn man von den Unterschieden im Tiefgang einmal absieht. Rein technisch gesehen, erleichtert eine konvexe Schallwand mit Softline-Kanten eine gleichmäßigere Abstrahlcharakteristik. Im Ansatz äußert sich das bei der nuWave durch ein etwas direkteres und genauer lokalisierbares Klanggeschehen und bei der nuLine durch eine gewisse „Wärme“ wegen der recht geringen Klangunterschiede im oberen Mittenbereich. Bei den aktuellen Modellen empfinden wir die Unterschiede aber als nicht so groß, wie Ihre Frage erscheinen lässt. 


AREADVD: Das ATM hat bei der nuLine102 eine deutliche Verbesserung des Tiefganges bewirkt, so dass wir es unseren Lesern als absolut empfehlenswert ans Herz legen. Wieso geht man nicht direkt her, und integriert die Wirkung des ATMs gleich in die Frequenzweiche des Lautsprechers, was uns gleich zur zweiten Frage bringt: wie sehen Sie die Konvergenzmöglichkeit zwischen der Thematik rund um das ATM sowie der aktiven Lautsprechertechnik ? Eigentlich zwängt sich doch hier geradezu eine Symbiose auf ..

G.N: Mit der vorgegebenen Membranfläche der Tieftöner ist der Tiefbass-Wikungsgrad (in der Gegend um 30 Hz) überwiegend vom Nettvolumen, also von den Gehäuseabmessungen abhängig. Um deutlich tiefere Bässe zu bekommen, könnte man natürlich den Gesamtwirkungsgrad der Box oberhalb des Tiefbassbereiches z.B. um 10 dB (also etwa um den Faktor 10) senken, - doch ist es sehr unwirtschaftlich, für die gleiche erzielbare Lautstärke einen zehnmal so starken Verstärker einzusetzen. Hier hat man als Entwickler also keinen wesentlichen Einfluss - schon gar nicht mit Hilfe einer anderen Frequenzweiche. Eine Oktave höher sieht es schon anders aus: im Bereich um 60 Hz könnte man durch „beinahe ungedämpfte“ Bassreflex-Konstruktionen, durch Mehrkammer-Bandpässe oder durch elektrische Schwingkreise um den Preis schlechterer Impulsverarbeitung 3 bis 5 dB Pegel herausholen. Damit würde man aber auch die Chance vergeben, durch aktive Module den 3 dB-Punkt in die Nähe von 30 Hz zu bringen. Wir halten es also für sinnvoll, den durch die Physik vorgegebene Pegelabfall im Bass mittels einer aktiven Enzerrerstufe zu kompensieren. Diese Kompensation muss vor der Verstärkerstufe stattfinden. Dafür ist das ATM zuständig. Natürlich lässt sich eine ATM-artige Vorausentzerrung auch in einer Aktivbox integrieren. Die klangliche Wirkung ist in beiden Fällen gleich.


AREADVD: Viele andere Hersteller schicken uns preisähnliche Lautsprecher mit aufwändigen, gerundeteten Gehäusen und verweisen auf überlegene Klangeigenschaften durch bessere Arbeitsumgebungen für die kompletten Chassis, als auch Vorteile hinsichtlich der Schallwandgeometrie. Die nuLine102 sieht dagegen offengestanden eher etwas konservativ aus. Dennoch klingt sie hervorragend. Wo liegt das Geheimnis ? 

G.N.:Die von den Chassis nach außen abgestrahlten Schallwellen bekommen von der Gehäuseform - außer von der Geometrie der Schallwand - praktisch überhaupt nichts mit. Der Schall, den die Chassis in’s „Boxeninnere“ abgeben, führt einerseits zum Mitschwingen der Gehäusewände und erzeugt andererseits „stehende Wellen“. Gut konstruierte gerundete Gehäuse können gegenüber typischen Quaderformen Vorteile aufweisen. Allerdings scheint es nicht üblich zu sein, die gerundeten Flächen dann auch nur annähernd so gut zu dämpfen und zu versteifen, wie wir es bei unseren Lautsprechern durchführen. Bei Messungen des Schwingungsverhaltens mit Beschleunigungsaufnehmern hatten wir bei Boxen der vergleichbaren Preisklassen - unabhängig von der Gehäuseform - noch nie ähnlich gute Ergebnisse wie z.B. bei den nuLine-Modellen. Ähnliches gilt für die stehenden Wellen: „nicht parallele“ – also gerundete oder konisch ausgeformte Wände sind recht günstig für die Innenakustik – aber die keilförmig ausgebildeten Innenkammern der größeren nuLine- und nuWave-Boxen sind halt noch wesentlich besser. Die Frage zur Schallwandgeometrie berührt nochmals die Unterschiede zwischen nuLine und nuWave. Die nuWave-Serie besitzt ja sehr konsequent durchkonstruierte Schallwände mit gerundeten Kanten. Diese Technik und das nuWave-Design werden von den „Technik-Fans“ unter unseren Kunden sehr geschätzt. Die nuLine 100 und 102 wurden für die Freunde von „wohnlicher“ gestalteten Lautsprechern entwickelt, die bei ebenfalls sehr hohem Klang-Niveau vielleicht tatsächlich auch etwas „wohnlicher“ klingen. Das "Geheimnis" liegt in der Feinarbeit an hörphysiologisch wichtigen Details, nicht nur an der Frequenzgang-Optimierung mittels Weichenabstimmung oder der Schallwandgeometrie. Was dieser Satz bedeutet, ist einem technischen Laien fast nicht zu vermitteln. Immer wieder werden wir mit Fragen konfrontiert, warum wir nicht diesen Kondensator oder jenen Hochtöner einsetzen, weil dieser angeblich so toll klingt. Manche Hochton-Lautsprecher gehen z.B. bis 40 kHz statt „nur“ bis 22 kHz hinauf. Auf den Klang hat es aber größere Bedeutung, wenn beispielsweise die Klirrwerte günstiger sind. Vielleicht hilft der Vergleich mit einem Formel-1-Auto: Reduziert man den Luftwiderstand, wird das Auto zwar schneller, jedoch nur auf einer Geraden. Das Auto muss aber nicht nur geradeaus schnell fahren können, sondern auch um die Kurve. Zugegeben, die Abstimmung eines Lautsprechers mit kantigem Gehäuse erfordert etwas mehr "Fingerspitzengefühl" bei der Frequenzweichenabstimmung und dauert meist länger, als wenn er stark gerundete Kanten besitzt. Der Klangunterschied zu einer ebenso gut abgestimmten Box mit gerundeten Kanten ist aber so, dass erfahrene Hörer im direkten A/B-Vergleich ohne Umschaltpause meist gewisse Klangunterschiede hören, sich aber oft nicht zutrauen, die „direktere“ Abbildung oder das vielleicht etwas sanftere Klangbild als „besser“ oder „schlechter“ zu bezeichnen.


AREADVD: Mit einem Wirkungsgrad von 86db verlangt die nuLine102 nach deutlich mehr Endstufen-Power als Mitbewerberprodukte. Für Stereo-Hörer ist dies in der Praxis praktisch ohne nennenswerte Auswirkungen, doch im Mehrkanalbereich können kleinere Geräte dadurch schon recht schnell überfordert werden. Außerdem hören wir häufig von anderen Herstellern, dass nur ein Lautsprecher mit einer sehr reduzierten Frequenzweiche (und einem darauf resultierendem güstigen Wirkungsgrad) in der Lage ist, dem Musiksignal weder in Detaillierung noch Dynamik etwas wegzunehmen. Wie stehen Sie dazu ?

G.N:: Diesen Meinungen kann ich mich nicht anschließen. Im Vergleich zu fast allen bekannten Mitbewerber-Produkten, die wir in den letzten Jahren im Labor gehört und gemessen haben, ist der Wirkungsgrad der nuLine 102 eher leicht überdurchschnittlich. Bei über 90% aller gemessenen Fabrikate liegt der Pegel (mit einer Verstärkerleistung von 1 Watt in 1 m Entfernung) zwischen 83 und 85,5 dB. Ab und zu lag eines bei 87 dB. Allerdings gibt es viele Lautsprecher - vor allem aus England - die im Katalog als 8 Ohm-Lautsprecher bezeichnet werden, deren Impedanzminimum aber noch unterhalb der 3,2 Ohm-Grenze liegt, die für 4-Ohm Lautsprecher noch zulässig wäre. Demzufolge wird die Wirkungsgrad-Messung dann mit der doppelten Eingangsleistung durchgeführt, was auf dem Papier zusätzlich 3 dB bringt. Wir kennen sogar mehrere Lautsprecher, die mit über 90 dB angegeben werden, bei denen wir jedoch weniger als 85 dB gemessen haben. Natürlich gibt es auch Boxen, die meist mit Mittel-Hochtonhörnern ausgerüstet sind und mit dem - unserer Meinung - typischen Klang von Disco-Boxen auch den typischen „Disko-Wirkungsgrad“ von bis zu etwa 95 dB haben. Ein Lautsprecher mit reduzierter Frequenzweiche hat nur dann einen höheren Wirkungsgrad, wenn diese reduzierte Weiche Mitten und Höhen oder einzelne „Frequenzgangbeulen“ deutlich lauter durchlässt als es dem Pegel der zugehörigen Bässe entspricht. Für den Wirkungsgrad eines linearen Lautsprechers ist praktisch nur der erreichbare Basspegel zuständig, der weder von einfachen noch von aufwändigen Weichen nennenswert beeinflusst wird. Im Mitten- und Höhenbereich darf die Box nicht „lauter“ sein, obwohl hier die Chassis deutlich höhere Wirkungsgrade aufweisen. Diese Bereiche müssen entsprechend abgesenkt werden, damit die Box neutral aufspielen kann. Manche Hörer verknüpfen hohen Wirkungsgrad aber mit klanglichen Eigenschaften wie "Schnelligkeit", oder "Impulsivität", also der Fähigkeit des Lautsprechers, kurze Dynamiksprünge möglichst realitätsnah, "lebendig" und mit großer "Plötzlichkeit" wiederzugeben. Ausgerechnet was diesen Punkt anbetrifft, sind Lautsprecher mit "minimalistischer" Frequenzweichenbestückung aber weniger geeignet

AREADVD: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Nubert und weiterhin gutes Gelingen für die Zukunft !

Fazit

Der aktuelle deutsche Fußballmeister residiert am Neckar und auch beim Lautsprecherbau zeigen die Schwaben, dass sie auf höchstem Niveau mithalten können. Wie ihre fußballspielenden Kollegen, hat das Entwicklerteam rund um Günter Nubert seine Spitzenposition aufgrund bodenständiger, solider Arbeit erarbeitet. Beide sind keinen Trends hinterhergelaufen, sondern gehen pragmatisch und lösungsorientiert in ihre Aufgaben. Der NuLine102 merkt man dies schon äußerlich an: schlichter und zurückhaltender könnte man sich einen Schallwandler von der optischen Grundkonzeption kaum vorstellen. Dies ist keineswegs negativ gemeint, denn in Kombination mit ihrer tadellosen Verarbeitung sichern sie sich eine gleichzeitig hochwertige als auch zeitlose Charakteristik. Ähnliches könnte man den Boxen im Prinzip auch in Bezug auf die klanglichen Aspekte attestieren: auffällige oder gar einprägsame Züge wird man an den nuLines in den ersten Hörsessions eher nicht finden - außer, dass es eben "komplett" und authentisch klingt und die Emotionen des Musik näher an den Hörer heranbringt. Zusammen mit einer passenden Elektronik, verwöhnt das schwäbische Trio aus nuLine102+ATM das Trommelfell auf seine schönste Weise: klare Höhen, tiefe und substanzreiche Bässe sowie eine ergreifende Stimmwiedergabe machen das Hören zum Erlebnis. Müssen nun alle Käufer der nuLine100 zur Maus greifen, und sich die Nachfolgerin bestellen ? Definitiv nicht: der nuLine102 ist ihre Evolution zwar anzuhören, aber das ohnehin hohe Leistungsniveau wird nur marginal übertroffen. Noch mehr Hörspaß wird man wohl nur mit wesentlich teureren High-End Lautsprechern anderer Marken erhalten. Da wir uns hier aber in preislich komplett anderen Gefilden befinden, muss die nuLine102/ATM102 Kombination eigentlich nur einen Gegner richtig ernst nehmen - und der kommt aus dem gleichen Stall: die exzellenten Nubert Topmodelle nuWave125 und nuLine122 stellen momentan den unangefochtenen Benchmark ihrer Preisklasse. Wer sich weder extrem große Lautsprecher, noch Subwoofer in das Wohnzimmer stellen will, wird eigentlich kaum eine basstaugliche Alternative zu den ATM-getunten nuLine102 finden. Insofern ist die nuLine102 also konkurrenzlos.

nuLine102 + ATM102 = Verführungskünstler²: wohnraumtauglicher Standlautsprecher mit faszinierend harmonisch-gefälligem Klangcharakter und der Extraportion Tiefbass.


Kombination: nuLine102 + ATM102 (Preis 1699 €)
Test: 24.August 2007
Preis-/Leistung:

+ mit ATM Modul hervorragend tiefe Basswiedergabe
+ neutrale Tonalität
+ gute Hochtondurchzeichnung
+ hervorragende Dynamik und Pegelfestigkeit
+ vielfältige Möglichkeiten zur Feinanpassung des Klanges
+ tadellose Verarbeitung
+ funktionelle Schutzgitter

- speziell bei hohen Pegeln hoher Leistungsbedarf mit aktiviertem ATM
- keine Spikes im Lieferumfang


Unser Partner für hochwertige Audiomöbel:

 

Text: Lars Mette

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