Test: Nubert nuLine102+ATM102
(Datum - LM )
Wer den schwäbischen Boxenhersteller Nubert noch nicht kennt, muss gänzlich neu in der Hifi-Szene sein: zu groß ist mittlerweile die Bekanntheit des einst eher regional agierenden Unternehmens geworden, als dass man heutzutage nicht über entsprechende Tests/Berichterstattungen stolpert. Nicht nur in Fachmedien im Print- und Pressebereich findet man vielfältige Berichterstattung; auch "normale" Journale oder Tageszeitungen befassen sich mit Nubert-Produkten und selbst im Fernsehen schleichen sich immer mal wieder Reportagen über die Klangkünstler aus Schwäbisch Gmünd ein. Den Grund für diesen faszinierenden Aufstieg finden jedoch sämtliche Puplikationen an denselben zwei Punkten: ein beeindruckender und solider technischer Aufbau sorgt für hervorragenden Klang, begleitet von einem sehr attraktivem Preis-/Leistungsverhältnis.
Wie groß nun der Anteil der Direktvermarktung zu diesem
Umstand beiträgt, möchten wir an dieser Stelle nicht
erörtern. Fest steht, dass Nubert Produkte ausschließlich
(abgesehen von zwei hauseigenen HiFi-Studios) direkt über die
Website bezogen werden können. Dort prangen seit Ende Juni eine
ganze Reihe neuer "alter" Lautsprecher der nuLine-Serie im
Sortiment und warten darauf, in den Warenkorb gelegt zu werden.
Chefentwickler Günther Nubert, verbessert und optimiert seine
Schützlinge sowieso unentwegt und lässt seine Verbesserungen
oftmals unbemerkt in die Serie einfließen. Dieses Mal scheint die
Produktevolution etwas größer auszufallen denn fast die
halbe nuLine-Serie darf sich über fortgeschrittene
Typen-Nummerierung erfreuen.
Wir haben uns die nuLine102 in den Testraum geordert, um einen ausgeprägten Eindruck über ihre Stereoqualitäten zu erhalten. Preislich verlangt das aktuelle Modell nach demselben Investitionsvolumen in Höhe von 725 € (Stückpreis), wie ihre Vorgängerin, die nuLine 100.
Obwohl die schlanke Standbox dank ihrer zwei Langhub-Subbässe bereits serienmäßig über eine beeindruckende Bass-Performance verfügen sollte, haben wir für Freunde tiefer Frequenzen auch gleich das passende ATM-Modul in diesen Test mitaufgenommen. Eingeschleift in die Elektronik (mehr dazu später) verspricht Nubert einen Tiefbass, wie ihn ansonsten nur deutlich größere (und meist auch teuere) Modelle aufweisen können. Dieses schmucke Aluminiummodul im Wert von 249 € treibt den Gesamtpreis der Nubert-Kombination somit auf exakt 1699 €(zzgl. eventuell Versandkosten in Höhe von 44 €) . Damit platziert sich das Set im Bereich der Oberklasse und spricht vornehmlich anspruchsvolle Hörer an, die bereit sind, einen entsprechenden Betrag für ihr Hobby zu investieren.
Doch trotz aller Begeisterung über Produktqualität und -Preise von Nubert: alleine steht die nuLine102 auf dem Markt auch nicht da. Speziell im Vergleich zu den Straßenpreisen diverser Mitbewerberofferten trifft das Nubert-Trio auf harte Gegner von ebenfalls renommierten Marken wie B&W, Wharfedale oder Focal/JmLab. Wir möchten Ihnen nachfolgend nicht nur die nuLine102+ATM vorstellen, sondern auch die Vergleiche zum Mitbewerb ziehen, damit Sie einen Anhaltspunkt haben, ob Sie Ihren nächsten Boxenkauf tatsächlich per Mausklick vollziehen sollten, oder ob der Gang zum klassischen Fachhändler trotzdem eine sinnvolle Viorgehensweise bleibt.
Verarbeitung:
Über das Nubert-Design zu philosophieren, ist wie Eulen nach Athen zu tragen: die konservative, kantige Gehäuseform ist genauso typisch für die Modellpalette, wie die klassisch geschnittenen Proportionen. Wo andere Hersteller ihre tropfenförmigen Schallwandler anpreisen, oder mit einer aufwändig zerklüfteten Frontwand für Wirbel sorgen, wirkt die nuLine102 schon fast ein wenig zu schlicht. Doch genau diesen Umstand werden ihr sicherlich viele Kunden hoch anrechnen, schließlich ernennt sich die Box somit nicht selber zum Eyecatcher des gesamten Wohnzimmers und bleibt formell im Hintergrund.
Rein qualitativ gibt es an den Boxen nichts zu kritisieren: die
aufwändige Mehrschichtlackierung in silber besitzt eine absolut
tadellose Oberflächenqualität und erweist sich zudem als
recht robust und verträglich.
Obwohl die nuLine-Boxen (laut Hersteller) stets brav den Frequenzgängen des Signales gehorchen sollen, stehen sie bei einem Großteil ihrer Besitzer hinter Gittern. Dies ist jedoch alles andere als eine Bestrafung, denn die schwarzen Anbauteile sind sehr gut verarbeitung und werten den Lautsprecher optisch auf. Außerdem ist die Schutzfunktion gegenüber staubsaugerschwingende Ehefrauen oder kalottenmordenden Kindern hervorragend. zur Perfektion fehlt lediglich, dass Nubrt die Aufnahmeklips für das Gtter in die Chassis integriert, so dass bei nackter Aufstellung keine 6 schwarzen Löcher auf der Schallwand stören. Wie es geht, zeigt Monitor Audio mit der preisgleichen Silver-RS Serie.
Die Befestigung der stabilen Schutzgitter erfolgt mit Hilfe kleiner Metallhalterungen, die mit der Abdeckung verschraubt - und anschließend in 6 Aufnahmelöcher gedrückt werden.
Die schlichte Optik kann jeder selbst für sich beurteilen - hierfür haben wir Ihnen (hoffentlich) genügend Bilder zur Seite gestellt, damit Sie sich einen eigenen Eindruck dieser Konstruktion machen können. Die objektiv feststellbaren Leistungen sind jedenfalls nahe an der absoluten Grenze, was in dieser Preisklasse überhaupt geboten werden kann. Besonders die Lösung mit dem Abdeckgitter erweist sich erneut als optisch und praktisch überlegen, gegenüber klassischen Varianten mit Stoffabdeckung.
technischer Aufbau:
Kombinationsempfehlung und Testumgebung:
Mal abgesehen davon, dass es wirkungsgradstärkere Lautsprecher gibt, die sich auch schon mit schwächeren Verstärkern zu hohen Pegeln überreden lassen, so stellen die Nubert Lautsprecher eigentlich die ideale Ergänzung zu fast jeder Elektronik dar: schon mit sehr einfach gehaltenen Gerätschaften vermag die nuLine102 schon sehr viel Hörspaß zu bieten. Ob dies nun ein 400 Euro Stereo-Receiver aus dem Elektronikmarkt ist, oder ein günstiger AV-Receiver: viele klanglichen Tugenden der nuLine102 kommen auch schon mit Geräten bürgerlicher Preisklassen zur Geltung.
Andererseits ist es frappierend, was aus den Boxen herauskommt, wenn man einmal eine Audionet Vor-/Endstufenkombination vorne dranhängt. Was die schwäbischen Schallwandler dann an Präzision, Dynamik und Geschwindigkeit umsetzen können, liegt weit über dem, was man Lautsprechern dieser Preisklasse allgemein hin zumuten würde. Lediglich High-End Komponenten, die gleichermaßen sehr analytisch und etwas schlank abgestimmt sind, würden wir nicht unbedingt auf unsere Favoritenliste setzen, wie zB. die 1090er Stereo VE-Kombi von Rotel.
Als Quelle haben wir auf den Audionet VipG2 Universalplayer (ca. 7.000 €) zurückgegriffen, einem der besten CD-Player überhaupt. Zu keinem Zeitpunkt wirkte er an an den Nubert-Speakern deplatziert oder gar unterforderd. Ähnlich wie schon hinsichtlich der Vor-/Endstufen waren wir auch im Falle des VipG2 sehr überrascht, was für klangliche Steigerungen mit den nuLine102 noch zu hören war. Ob nun ein solcher Player in einem finanziell gesunden Verhältnis zu einem Paar Boxen für knapp 1.600 Euro liegt, muss zwar sicherlich jeder Anwender für sich selbst festlegen. Wir können jedenfalls festhalten, dass es durchaus Sinn machen kann, in höchstwertige Komponenten zu investieren, wenn man über Lautsprecher verfügt, die davon in einem solche Maße profitieren.
Auch wenn sich dieser Test rein auf zweikanalige Aspekte
ausgerichtet ist, so wissen wir natürlich, dass viele
Nubert-Kunden/Interessenten sehr flei0ig von den exzellenten
Surroundergänzungen Gebrauch machen, um sich den Traum eines
Top-Heimkinos zu erfüllen. Wir möchten daher auch noch einmal
kurz auf die Kombinatorik mit adäquaten Surround-Receivern
eingehen.
Große Teile unser Höreindrücke haben wir mit unserem Onkyo TX-NR5000E (UVP 5.500 €) bewältigt, der sich hervorragender Partner entpuppte. Generell beobachten wir, dass in unteren Preisbereichen speziell die Onkyo Produkte sehr regelmäßig hervorragende Resultate mit Nubert-Boxen hervorbringen. Die fast immer anzutreffende Klangauslegung mit hoher Spielkultur und einem leicht warmen, vollen Klangbild steht den schwäbischen Lautsprecher sehr gut zu Gesicht, zumal sich Onkyo-Produkte häufig auch durch hohe Dynamik auszeichnen.
Als weitere Empfehlung möchten wir speziell den Marantz SR-8001 nennen. Für unter 2.000 Euro erhält man derzeit wohl keinen anderen Mehrkanaler, der den Nuberts klanglich so schmeichelt. Es ist selten, dass ein AV-Receiver derart homogen und natürlich aufspielt und schon fast an reine Stereo-Geräte heranreicht. Hier ist unserer Meinung nach, eine sehr gute Balance zwischen Klangausschöpfung und preislicher Investition zwischen Surround-Elektronik und der nuLine-Serie gegeben. Sie können zwar auch mit einem guten Gerät der Einsteigerklasse vorlieb nehmen (zB. Denon AVR-2806), doch besonders Stereohörer täten gut daran, sich vorher in Hörvergleichen davon zu überzeugen, auf was sie klanglich verzichten müssen.
Brennpunkt ATM: für reine Stereo-Anwendung stellt die
Einbindung in das System ohnehin kein Problem dar, schließlich
kann man es direkt zwischen Quelle und Verstärker einschleifen.
Doch auch dieser Umstand entlässt ATM-Besitzer nicht aus der
Verantwortung, eine leistungsstarke Verstärkung zur Seite zu
stellen. Besonders bei höheren Pegeln macht sich fast jedes Watt
direkt in höherer Souveränität und Kontrolle bemerkbar -
nicht nur im Bassbereich, denn auch die Höhendarstellung leider
darunter, wenn "untenrum" zu viel Leistung von einer Endstufe abgerufen
wird. Und dass hoher Leistungsbedarf keine Utopie ist, möchten wir
mit der obigen Abbildung noch einmal
untersteichen. Wirkleistungsanzeige zeigt die Angaben eines
Audionet AmpIIG2 Monoblocks bei Wiedergabe einer orchestralen
Soundtrack CD an den Nuline102 mit ATM auf neutraler (mittiger)
Stellung .
In diesem Zusammenhang können wir besonders die Endstufen von Advance Acoustic empfehlen, die sich außerdem durch ein hervorragendes Preis-/Leistungsverhältnis auszeichnen. Den Monoblock MAA-705 (Stückpreis 949 €) haben wir deswegen gleich in fünffacher Ausfertigung in unserem Teststudio und können nur Gutes über die Kombination mit den nuLines berichten. Im Gegensatz zur Stereoendstufe MAA-406 (899 €) weist das größere Modelle sogar eine noch audiophilere Abstimmung und den noch lineareren, präziseren Bass auf, was in Verbindung mit einem ATM-Modul eine hervorragende Basis darstellt.
Als Low-Budget Tipp zum Schluss noch der Hinweis auf den Sherwood RX-772. Kräftige Endstufen, eine Auftrennung zwischen Vor-/Endstufe sowie der Preis von schlanken 599 Euro machen den schönen Receiver zu einer wahren Empfehlung für Schnäppchenjäger. Klar: er macht einem feingeistigen Marantz PM15-S1 (1.499 €) keine Konkurrenz, aber die kräftige, bassintensive Klangauslegung sorgt für ein intesives Hörerlebnis, was in seiner Preisklasse normalerweise nur unter Verlust von Detailfreudigkeit oder Präzision erkauft wird. Nicht so beim RX-772, der sich damit für preisbewusste Audio-Gourmets ganz oben auf der Speisekarte platziert.
Unsere hauptsächlich verwendete Elektronik in der Übersicht:
Vorstufen | Audionet MapV2+EPS (ca. 7.800 €) NAD M15 (ca. 3.000 €) |
Endstufen | Audionet AmpIIG2 (Monoblock, Stück ca. 3.600 €) Advance Acoustic MAA705 ( Monoblock, Stück ca. 950€) Rotel RMB-1095 (5-Kanal Endstufe, ca. 3.000 €) |
Zuspieler | Audionet VipG2 (ca. 7.000 €) Onkyo DV-SP1000E (ca. 4.600 €) |
AV-Receiver/ AV Verstärker |
Denon AVC-A11 XVA (ca. 4.000 €) Onkyo TX-NR5000E (ca. 5.500 €) |
Als Lautsprecherkabel kam bei diesem Test das Soundguard von Mogami zum Einsatz.
Klang
Interview:
AREADVD: Wie dürfen sich unsere Leser die Entwicklungsgeschichte der
nuLine102 vorstellen ? Sagen Sie sich als Entwickler irgendwann mal,
dass es Zeit für einen Rundumschlag ist, oder ergab sich die
Evolutionsstufe zB. aufgrund nicht mehr lieferbarer Zukaufteile am
Markt ?
Günter Nubert: Die Entwicklungsgeschichte der nuLine 102 reicht
eigentlich bis Mitte 1998 zurück. Damals haben wir an der
Kombination elektrischer und akustischer Filter-Auslegungen gearbeitet,
mit der sich die Impulspräzision im Bassbereich deutlich
verbessern lässt. Im Sommer 2000 wurde die nuWave 10 vorgestellt,
deren Tief- und Mitteltöner erstmals so sauber zusammenarbeiten,
wie es ohne Hilfe eines DSP-FIR-Prozessors vorher kaum möglich
war. Auf dieser Basis wurde Ende 2001 die nuLine 100 entwickelt, die
bis 2006 mehrere „updates“ erhalten hat. Die
Namensänderung von „nuLine 100“ zur „nuLine
102“ erweckt zunächst den Anschein, als hätten wir mit
diesem Schritt nur eine einzige Verbesserung durchgeführt, indem
lediglich der Hochtöner gewechselt wurde. In Wirklichkeit ist der
Einsatz des neuesten Hochtöners gewissermaßen nur die Spitze
des Eisbergs: Vor der Einführung der neuen nuLine-Linie wurden je
nach Modell bis zu vier Updates durchgeführt, die zu immer
besserer Linearität und Verzerrungsfreiheit führten. Auch
wenn die Einzelschritte von der Auswirkung auf den Klang nicht so
bedeutsam waren, sind die Unterschiede in der Summe gegenüber den
2001-Modellen aber doch wichtig, so dass die neuen Typenbezeichnungen
den neuesten Stand der Entwicklungsstufen dokumentieren.
AREADVD: Im Direktvergleich zwischen nuLine102 und der nuWave125 haben wir
sofort Unterschiede feststellen können. Wie kommt es, dass zwei
Lautsprecher, die beide als neutral und ehrlich deklariert sind, dann
letztendlich doch so unterschiedlich klingen ?
G.N.: Lautsprecher „kommunizieren“ mit dem Wohnraum in
Abhängigkeit von ihrem Rundstrahlverhalten. Bei Hörtests im
Freifeld klingt die nuLine 102 - bei Abstrahlwinkeln über 10 Grad
- sehr ähnlich wie die aktuelle nuWave 125, wenn man von den
Unterschieden im Tiefgang einmal absieht. Rein technisch gesehen,
erleichtert eine konvexe Schallwand mit Softline-Kanten eine
gleichmäßigere Abstrahlcharakteristik. Im Ansatz
äußert sich das bei der nuWave durch ein etwas direkteres
und genauer lokalisierbares Klanggeschehen und bei der nuLine durch
eine gewisse „Wärme“ wegen der recht geringen
Klangunterschiede im oberen Mittenbereich. Bei den aktuellen Modellen
empfinden wir die Unterschiede aber als nicht so groß, wie Ihre
Frage erscheinen lässt.
AREADVD: Das ATM hat bei der nuLine102 eine deutliche Verbesserung des Tiefganges bewirkt, so dass wir es unseren Lesern als absolut empfehlenswert ans Herz legen. Wieso geht man nicht direkt her, und integriert die Wirkung des ATMs gleich in die Frequenzweiche des Lautsprechers, was uns gleich zur zweiten Frage bringt: wie sehen Sie die Konvergenzmöglichkeit zwischen der Thematik rund um das ATM sowie der aktiven Lautsprechertechnik ? Eigentlich zwängt sich doch hier geradezu eine Symbiose auf ..
G.N: Mit der vorgegebenen Membranfläche der Tieftöner ist
der Tiefbass-Wikungsgrad (in der Gegend um 30 Hz) überwiegend vom
Nettvolumen, also von den Gehäuseabmessungen abhängig. Um
deutlich tiefere Bässe zu bekommen, könnte man natürlich
den Gesamtwirkungsgrad der Box oberhalb des Tiefbassbereiches z.B. um
10 dB (also etwa um den Faktor 10) senken, - doch ist es sehr
unwirtschaftlich, für die gleiche erzielbare Lautstärke einen
zehnmal so starken Verstärker einzusetzen. Hier hat man als
Entwickler also keinen wesentlichen Einfluss - schon gar nicht mit
Hilfe einer anderen Frequenzweiche. Eine Oktave höher sieht es
schon anders aus: im Bereich um 60 Hz könnte man durch
„beinahe ungedämpfte“ Bassreflex-Konstruktionen, durch
Mehrkammer-Bandpässe oder durch elektrische Schwingkreise um den
Preis schlechterer Impulsverarbeitung 3 bis 5 dB Pegel herausholen.
Damit würde man aber auch die Chance vergeben, durch aktive Module
den 3 dB-Punkt in die Nähe von 30 Hz zu bringen. Wir halten es
also für sinnvoll, den durch die Physik vorgegebene Pegelabfall im
Bass mittels einer aktiven Enzerrerstufe zu kompensieren. Diese
Kompensation muss vor der Verstärkerstufe stattfinden. Dafür
ist das ATM zuständig. Natürlich lässt sich eine
ATM-artige Vorausentzerrung auch in einer Aktivbox integrieren. Die
klangliche Wirkung ist in beiden Fällen gleich.
AREADVD: Viele andere Hersteller schicken uns preisähnliche Lautsprecher mit aufwändigen, gerundeteten Gehäusen und verweisen auf überlegene Klangeigenschaften durch bessere Arbeitsumgebungen für die kompletten Chassis, als auch Vorteile hinsichtlich der Schallwandgeometrie. Die nuLine102 sieht dagegen offengestanden eher etwas konservativ aus. Dennoch klingt sie hervorragend. Wo liegt das Geheimnis ?
G.N.:Die von den Chassis nach außen abgestrahlten Schallwellen
bekommen von der Gehäuseform - außer von der Geometrie der
Schallwand - praktisch überhaupt nichts mit. Der Schall, den die
Chassis in’s „Boxeninnere“ abgeben, führt
einerseits zum Mitschwingen der Gehäusewände und erzeugt
andererseits „stehende Wellen“. Gut konstruierte gerundete
Gehäuse können gegenüber typischen Quaderformen Vorteile
aufweisen. Allerdings scheint es nicht üblich zu sein, die
gerundeten Flächen dann auch nur annähernd so gut zu
dämpfen und zu versteifen, wie wir es bei unseren Lautsprechern
durchführen. Bei Messungen des Schwingungsverhaltens mit
Beschleunigungsaufnehmern hatten wir bei Boxen der vergleichbaren
Preisklassen - unabhängig von der Gehäuseform - noch nie
ähnlich gute Ergebnisse wie z.B. bei den nuLine-Modellen.
Ähnliches gilt für die stehenden Wellen: „nicht
parallele“ – also gerundete oder konisch ausgeformte
Wände sind recht günstig für die Innenakustik –
aber die keilförmig ausgebildeten Innenkammern der
größeren nuLine- und nuWave-Boxen sind halt noch wesentlich
besser. Die Frage zur Schallwandgeometrie berührt nochmals die
Unterschiede zwischen nuLine und nuWave. Die nuWave-Serie besitzt ja
sehr konsequent durchkonstruierte Schallwände mit gerundeten
Kanten. Diese Technik und das nuWave-Design werden von den
„Technik-Fans“ unter unseren Kunden sehr geschätzt.
Die nuLine 100 und 102 wurden für die Freunde von
„wohnlicher“ gestalteten Lautsprechern entwickelt, die bei
ebenfalls sehr hohem Klang-Niveau vielleicht tatsächlich auch
etwas „wohnlicher“ klingen. Das "Geheimnis" liegt in der
Feinarbeit an hörphysiologisch wichtigen Details, nicht nur an der
Frequenzgang-Optimierung mittels Weichenabstimmung oder der
Schallwandgeometrie. Was dieser Satz bedeutet, ist einem technischen
Laien fast nicht zu vermitteln. Immer wieder werden wir mit Fragen
konfrontiert, warum wir nicht diesen Kondensator oder jenen
Hochtöner einsetzen, weil dieser angeblich so toll klingt. Manche
Hochton-Lautsprecher gehen z.B. bis 40 kHz statt „nur“ bis
22 kHz hinauf. Auf den Klang hat es aber größere Bedeutung,
wenn beispielsweise die Klirrwerte günstiger sind. Vielleicht
hilft der Vergleich mit einem Formel-1-Auto: Reduziert man den
Luftwiderstand, wird das Auto zwar schneller, jedoch nur auf einer
Geraden. Das Auto muss aber nicht nur geradeaus schnell fahren
können, sondern auch um die Kurve. Zugegeben, die Abstimmung eines
Lautsprechers mit kantigem Gehäuse erfordert etwas mehr
"Fingerspitzengefühl" bei der Frequenzweichenabstimmung und dauert
meist länger, als wenn er stark gerundete Kanten besitzt. Der
Klangunterschied zu einer ebenso gut abgestimmten Box mit gerundeten
Kanten ist aber so, dass erfahrene Hörer im direkten A/B-Vergleich
ohne Umschaltpause meist gewisse Klangunterschiede hören, sich
aber oft nicht zutrauen, die „direktere“ Abbildung oder das
vielleicht etwas sanftere Klangbild als „besser“ oder
„schlechter“ zu bezeichnen.
AREADVD: Mit einem Wirkungsgrad von 86db verlangt die nuLine102 nach deutlich
mehr Endstufen-Power als Mitbewerberprodukte. Für
Stereo-Hörer ist dies in der Praxis praktisch ohne nennenswerte
Auswirkungen, doch im Mehrkanalbereich können kleinere Geräte
dadurch schon recht schnell überfordert werden. Außerdem
hören wir häufig von anderen Herstellern, dass nur ein
Lautsprecher mit einer sehr reduzierten Frequenzweiche (und einem
darauf resultierendem güstigen Wirkungsgrad) in der Lage ist, dem
Musiksignal weder in Detaillierung noch Dynamik etwas wegzunehmen. Wie
stehen Sie dazu ?
G.N:: Diesen Meinungen kann ich mich nicht anschließen. Im
Vergleich zu fast allen bekannten Mitbewerber-Produkten, die wir in den
letzten Jahren im Labor gehört und gemessen haben, ist der
Wirkungsgrad der nuLine 102 eher leicht überdurchschnittlich.
AREADVD: Bei über 90% aller gemessenen Fabrikate liegt der
Pegel (mit einer Verstärkerleistung von 1 Watt in 1 m Entfernung)
zwischen 83 und 85,5 dB. Ab und zu lag eines bei 87 dB. Allerdings gibt
es viele Lautsprecher - vor allem aus England - die im Katalog als 8
Ohm-Lautsprecher bezeichnet werden, deren Impedanzminimum aber noch
unterhalb der 3,2 Ohm-Grenze liegt, die für 4-Ohm Lautsprecher
noch zulässig wäre. Demzufolge wird die Wirkungsgrad-Messung
dann mit der doppelten Eingangsleistung durchgeführt, was auf dem
Papier zusätzlich 3 dB bringt. Wir kennen sogar mehrere
Lautsprecher, die mit über 90 dB angegeben werden, bei denen wir
jedoch weniger als 85 dB gemessen haben. Natürlich gibt es auch
Boxen, die meist mit Mittel-Hochtonhörnern ausgerüstet sind
und mit dem - unserer Meinung - typischen Klang von Disco-Boxen auch
den typischen „Disko-Wirkungsgrad“ von bis zu etwa 95 dB
haben. Ein Lautsprecher mit reduzierter Frequenzweiche hat nur dann
einen höheren Wirkungsgrad, wenn diese reduzierte Weiche Mitten
und Höhen oder einzelne „Frequenzgangbeulen“ deutlich
lauter durchlässt als es dem Pegel der zugehörigen Bässe
entspricht. Für den Wirkungsgrad eines linearen Lautsprechers ist
praktisch nur der erreichbare Basspegel zuständig, der weder von
einfachen noch von aufwändigen Weichen nennenswert beeinflusst
wird. Im Mitten- und Höhenbereich darf die Box nicht
„lauter“ sein, obwohl hier die Chassis deutlich höhere
Wirkungsgrade aufweisen. Diese Bereiche müssen entsprechend
abgesenkt werden, damit die Box neutral aufspielen kann. Manche
Hörer verknüpfen hohen Wirkungsgrad aber mit klanglichen
Eigenschaften wie "Schnelligkeit", oder "Impulsivität", also der
Fähigkeit des Lautsprechers, kurze Dynamiksprünge
möglichst realitätsnah, "lebendig" und mit großer
"Plötzlichkeit" wiederzugeben. Ausgerechnet was diesen Punkt
anbetrifft, sind Lautsprecher mit "minimalistischer"
Frequenzweichenbestückung aber weniger geeignet
AREADVD: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Nubert und weiterhin gutes Gelingen für die Zukunft !
Fazit
Der aktuelle deutsche Fußballmeister residiert am Neckar und auch beim Lautsprecherbau zeigen die Schwaben, dass sie auf höchstem Niveau mithalten können. Wie ihre fußballspielenden Kollegen, hat das Entwicklerteam rund um Günter Nubert seine Spitzenposition aufgrund bodenständiger, solider Arbeit erarbeitet. Beide sind keinen Trends hinterhergelaufen, sondern gehen pragmatisch und lösungsorientiert in ihre Aufgaben. Der NuLine102 merkt man dies schon äußerlich an: schlichter und zurückhaltender könnte man sich einen Schallwandler von der optischen Grundkonzeption kaum vorstellen. Dies ist keineswegs negativ gemeint, denn in Kombination mit ihrer tadellosen Verarbeitung sichern sie sich eine gleichzeitig hochwertige als auch zeitlose Charakteristik. Ähnliches könnte man den Boxen im Prinzip auch in Bezug auf die klanglichen Aspekte attestieren: auffällige oder gar einprägsame Züge wird man an den nuLines in den ersten Hörsessions eher nicht finden - außer, dass es eben "komplett" und authentisch klingt und die Emotionen des Musik näher an den Hörer heranbringt. Zusammen mit einer passenden Elektronik, verwöhnt das schwäbische Trio aus nuLine102+ATM das Trommelfell auf seine schönste Weise: klare Höhen, tiefe und substanzreiche Bässe sowie eine ergreifende Stimmwiedergabe machen das Hören zum Erlebnis. Müssen nun alle Käufer der nuLine100 zur Maus greifen, und sich die Nachfolgerin bestellen ? Definitiv nicht: der nuLine102 ist ihre Evolution zwar anzuhören, aber das ohnehin hohe Leistungsniveau wird nur marginal übertroffen. Noch mehr Hörspaß wird man wohl nur mit wesentlich teureren High-End Lautsprechern anderer Marken erhalten. Da wir uns hier aber in preislich komplett anderen Gefilden befinden, muss die nuLine102/ATM102 Kombination eigentlich nur einen Gegner richtig ernst nehmen - und der kommt aus dem gleichen Stall: die exzellenten Nubert Topmodelle nuWave125 und nuLine122 stellen
Text: Lars Mette