Progressive Scan  - der lange Weg zum perfekten Vollbild

Progressive Scan - geht es Ihnen auch so, dass Sie schon viel davon gehört haben, die prinzipielle Arbeitsweise aber nicht genau kennen? Dann können Sie unser kleines Special lesen, das bewusst als Einführung gehalten ist. Daher finden sich so wenig technische Termini wie möglich, ebenfalls gehen die Erläuterungen nicht mehr in die Tiefe als für ein erstes Verständnis notwendig. Für den versierten Anwender, der gern noch mehr über die technischen Zusammenhänge erfahren möchte, haben wir aus diesem Grund am Textende zwei Links erstellt, hinter denen sich hochspezialisierte Seiten verbergen, auf denen sehr viel über Progressive Scan zu erfahren ist.

Halb- und Vollbilddarstellung in PAL und NTSC

Herkömmlicher 35 und 70 Millimeter Film wird mit 24 Bilder pro Sekunde belichtet. Man reduziert das Flimmern, indem man den Film mit 48 Bildern pro Sekunde auf die Kinoleinwand projiziert. Jedes Bild wird dabei 2 mal abgebildet also nach folgendem Schema:

 A/A

B/B

C/C

D/D

Fernseher hingegen arbeiten nach dem Zeilensprung- oder "Interlaced"-Verfahren, also mit Halbbildern. Daher muss man, sollen Kinofilme auf normalem Equipment dargestellt werden, die Vollbilder der Originalvorlage in Halbbilder umfunktionieren - was nicht allzu einfach zu realisieren ist, denn Kinofilme kommen auf 24 Vollbilder pro Sekunde, während PAL 50 Halbbilder pro Sekunde zu 25 Vollbildern zusammensetzt . Die 24 Vollbilder der Kino-Vorlage kann man also nicht einfach zu Halbbildern machen, dann käme man auf 48 Halbbilder pro Sekunde - unbrauchbar. Möchte man daher einen Kinofilm für PAL optimieren, muss man zu einem Trick greifen: Es werden bei einer PAL-DVD anstatt der 24 Bilder 25 überspielt, das 50 (die PAL-Bildwiederholfrequenz in Hz) ein Vielfaches von 25 ist und die 25 Vollbilder dann einfach auf 50 Halbbilder verteilt werden können (genannt 2:2-Pulldown). Aufgrund dieser Tatsache läuft der Film minimal schneller, was bei einer PAL-DVD zu einer um 4 % kürzeren Laufzeit führt. 

Bei NTSC mit einer Bildwiederholfrequenz von 60 Hz ist der 2:2-Pulldown untauglich. Hier muss eine andere Art des Pulldowns her, um auf eine zu den 60 Halbbildern (Video Fields) kompatible Anzahl von Einzelbildern pro Sekunde zu kommen - nicht einfach, wenn man von 24 Film-Einzelbildern pro Sekunde (fbs, Frames per second) ausgeht. Das erste Film-Einzelbild (Film-Frame), nennen wir es A, wird dreimal wiederholt und wird bei der Video-Übertragung aufgenommen auf Halbbild 1 (Field 1) und Halbbild 2 (Field 2) des ersten Videoeinzelbildes (Video-Frame) sowie auf Halbbild 1 (Field 1) des zweiten Videobildes - also dreimal. Der zweite Film-Frame B wird nur zweimal wiederholt und auch nur zweimal aufgenommen, daraus ergibt sich das Halbbild 2 des zweiten Video-Frames und das Halbbild 1 des dritten Video-Frames - Durch diese Vorgehensweise im 3:2-Rhytmus (Fachbegriff 3:2 Pulldown) wird nach sechsmaligem Wiederholen dieser Sequenzen aus den 24 Frames, die ein Film pro Sekunde erzeugt, 30 Video-Frames (fps, Frames per second)  bzw. 60 Video-Fields.

Grundsätzlich wird beim Interlaced (Zeilensprung) - Verfahren) in PAL und in NTSC nicht das ganze Bild auf einmal angezeigt, sondern zunächst ein Halbbild mit den geraden Zeilen und anschließend ein zweites Halbbild mit den ungeraden Bildzeilen. Durch den schnellen Wechsel der Halbbilder fällt dies allerdings beim Betrachten eines TV-Bildes nicht direkt auf. Nur die gut sichtbaren horizontalen Linien stören auf den ersten Blick. Wer genauer hinschaut, kann bei Interlaced-Bilddarstellung besonders bei Bewegungen Mängel wie z.B. nicht absolut saubere Konturen feststellen - dies ist das als Kamm-Effekt (englisch "Comb") bekannte Phänomen.  Jedes Halbbild stellt ein eigenes Bild dar. Ist nun keine Bewegung im Bild, so merkt das Auge nichts, sozusagen "in Ruhe" kann aus den zwei Halbbildern ein komplettes Bild erstellt werden, da sich in den Bildinhalten von Halbbild 1 zu Halbbild 2 nichts ändert. Sind aber schnelle Bewegungen (wie z.B. der Tritt des Fußballspielers gegen den Ball, ein vorbeirasendes Formel 1-Auto) oder Kameraschwenks (z.B. ein schneller Schwenk ins Publikum bei einem Rockkonzert) zu beobachten, so ist es nicht mehr möglich, aus den beiden Halbbildern ein komplettes, von den Konturen her deckungsgleiches Bild darzustellen, da die Bewegung innerhalb der beiden Halbbilder fortschreitet und so die Schaffung eines klaren Bildes vereitelt. Das Ergebnis ist sichtbar in Form von unsauberen Konturen und einem unruhigen Bild mit störenden Streifenmustern.  Zur Lösung dieser Probleme ist Progressive Scan genau das richtige Mittel, denn hier entfällt die mängelbehaftete Halbbildwiedergabe. Übrigens: In der Computertechnik ist die Vollbildwiedergabe Standard. Schon seit längerer Zeit gibt es NTSC Progressive als offizielle Norm für DVD-Player, seit kurzem auch PAL Progressive.

Progressive Scan - der lange Weg zum perfekten Vollbild

Die Umsetzung der Vollbild-Verarbeitung ist bei DVD-Playern technisch sehr aufwändig. Denn gerade bei Film-DVDs liegt das Material zwar in der Ursprungsform (Filmkameras arbeiten, wie oben bereits erläutert, im Vollbildverfahren) in progressiver Form vor. Da jedoch weltweit nur wenige DVD-Freunde aufgrund ihrer Ausstattung für eine progressive Bildausgabe gerüstet sind, greift die große Mehrheit auf Interlaced-Equipment zurück. Genau deshalb sind die DVDs auf die Interlaced-Wiedergabe optimiert. Das Material auf der DVD ist also nicht in progressiver Form abgespeichert, obwohl dies eigentlich technisch möglich wäre. Die Umwandlung des Halbbild-Materials in Progressive-Vollbilder (genannt "De-Interlacing")  obliegt also dem DVD-Player - und nicht immer gelingt die Aufbereitung in technisch einwandfreier Form. Der Player muss die auf der DVD enthaltenen Halbbilder zu Vollbildern zusammensetzen - erinnern wir uns: Zur Umsetzung des Vollbild-Filmmaterials wurden die (durch ein etwas schnelleres Abspielen) auf 25 erhöhten Vollbilder pro Sekunde auf 50 Halbbilder verteilt. Nun muss der DVD-Player die beiden Halbbilder, die ursprünglich zusammen ein Vollbild ergeben, wieder zusammensetzen - sozusagen das Ursprüngliche wiederherstellen. 

Ohne Schwierigkeiten schafft jeder Progressive Scan-Player die Darstellung nur bei 100 % korrekt gemasterten DVDs - gemeint ist damit: Beim Erstellungsprozess, dem "Mastering" der DVD, achten die Verantwortlichen darauf, dass die DVD für Progressive Scan-DVD-Player die richtigen Informationen bereit hält bzw. dafür sorgt, dass der Progressive Scan-DVD-Player das Material auf der DVD problemlos richtig erkennt und schnell geeignet bearbeiten kann. Wer nun denkt, dass dies kein größeres Problem ist, da eigentlich die meisten DVDs  - mit nur wenigen Ausnahmen - korrekt erstellt sein müssten, der irrt. Der Grund: Auch die Mastering-Ansprüche beziehen sich auf eine fehlerfreie Interlaced-Signalausgabe, will heißen: Eine Disc, die beim Anschauen via Interlaced keinerlei Fehler verursacht, kann einen Progressive Scan-DVD-Player vor schwere Aufgaben stellen, da es bei der Interlaced-Signalausgabe nur wichtig ist, dass im Endeffekt 50 Halbbilder  für die Interlaced-Weiterverarbeitung herauskommen. Noch schwieriger wird für den DVD-Player die Aufgabe des De-Interlacings, wenn DVDs mit echtem Videomaterial eingelegt werden. Z.B. Fernsehserien, Live-Konzerte und Reisedokumentationen werden von Videokameras aufgezeichnet, die nach dem Interlaced-Verfahren arbeiten. Dies hat zur Folge, dass schon das Ursprungsmaterial in Interlaced vorliegt und es dem Player folglich nicht möglich ist, zwei ursprünglich zu einem Vollbild gehörende Halbbilder wieder zusammenzusetzen. Hier gibt es nur Halbbilder, die nicht aus ein und der selben Momentaufnahme (es sei denn, es sind Bilder ohne Bewegung, die über einen gewissen Zeitraum ohne Veränderungen dargestellt werden) kommen, was die Progressive-Aufbeitung deutlich erschwert. Um Video-Quellmaterial akkurat zu bearbeiten, muss der Player die fehlenden Bildinformationen aus diesem Grunde selber errechnen - denn: Insgesamt hat PAL 576 Bildzeilen, jedes Halbbild besteht aber verständlicherweise nur aus der Hälfte der Zeilen, da ja mit einem Halbbild die geraden und mit dem anderen die ungraden Bildzeilen dargestellt und dann zu einem Bild zusammengefügt werden. Also muss der Player jedem Halbbild 288 Zeilen hinzufügen, und das 50 mal pro Sekunde, was durch eine Interpolation aus dem vorhandenen Bildmaterial geschieht. Etwas versiertere Anwender werden nun direkt etwas skeptisch, denn solche Interpolationsvorgänge sind nicht unbedingt unproblematisch. In der Praxis ergeben sich, je nach Qualität der Interpolation, große Qualitätsunterschiede im Bild. Schlecht interpolierte Bilder wirken unsauber, unnatürlich und ungenau, die Gesamtbildschärfe des Bildes sinkt. Wie stark die Bildschärfe durch die Interpolation eingeschränkt ist, hängt von der Güte ab, in der der Player den Vorgang durchführt. Was geschieht bei Bildsequenzen, in denen für einige Zeit keinerlei Bewegung zu erkennen ist? Bei solchen Bildsequenzen (z.B. mehrere Sekunden lang wird ein und die selbe Einstellung gezeigt, z.B. Palmen auf einer Insel oder eine Blume bzw. ein Tier im Detail), kann man die Halbbilder auch durch schlichtes Zusammen fügen zu Vollbildern machen - hier ist kein Unterschied vorhanden zwischen Halbbild 1 und Halbbild 2, es bewegt sich nichts. Sobald jedoch Bewegung im Bild enthalten ist, ist es aus mit dem Zusammenfügen - denn sonst taucht der berüchtigte Kammeffekt wieder auf, und einer der Hauptvorteile der progressiven Bilddarstellung - nämlich diesen unschönen Effekt zu vermeiden - ist dahin. 

Aus den hier aufgeführten Gründen ist beim Kauf von Progressive-Scan-DVD-Playern auch im besonderen Maße auf visuelle Mängel zu achten. Hochwertige Progressive-Player verfügen über eine ausgeklügelte Bewegungserkennung und eine hoch entwickelte Bildfeldanalyse und nutzen sowohl Interpolations- wie auch Zusammenfügungsverfahren, um den Bildinhalt ständig zu analysieren und richtig aufzubereiten, Top-DVD-Player wie z.B. der Denon DVD-2900 verfügen über einen aufwändigen Chip für die Progressive Scan-Signalbearbeitung: Eine 3-2 Highspeed-Erkennung beim Pull-Down mit Vierfeld-Bilduntersuchung (mit Hilfe einer besonders guten Bewegungserkennung untersucht der Chip vier Videofelder (= 2 Frames, normal ist 1 Frame), die in Pufferspeicher abgespeichert wird, nutzt der Player zur Bewegungsanalyse. Vorteil: Der Chip kann mit diesen Voraussetzungen schnell und genau die geeignete Form des De-Interlacings anwenden, je nach dem, ob Video- oder Filmmaterial vorliegt.  Zudem sorgen zwei verschiedene Progressive-Modi bei den Denon DVD-Playern für eine optimale Anpassung - je nach dem, ob der Player selber die komplette Quellmaterialanalyse vornimmt (dabei analysiert der DVD-Player permanent das Bildmaterial, was sehr rechenaufwändig ist, soll das Ergebnis stimmen) oder auf der DVD die Progressive-Flags korrekt gesetzt sind und der Player sich sozusagen auf die Informationen auf der DVD verlassen kann (in der Praxis prüft er diese aber nochmals genau nach und rekonstruiert so exakt den Filmverlauf).

Nicht bei allen Playern klappt dies perfekt. Bei einem hervorragenden DVD-Player mit guter Progressive-Technik sind deutliche Qualitätsverbesserungen sichtbar: Die Bildqualität der DVD erreicht mit Hilfe von DVD-Playern mit Progressive Scan-Ausgang und dem entsprechend gerüsteten Bildausgabegerät (Projektoren, Plasmaschirme oder TV-Geräte mit YUV PS-Verarbeitungsmöglichkeit) einen höheren Standard als bei Interlaced-Verbindungen: Die horizontalen Linien, die durch das Interlaced-Verfahren gerade bei großen Bilddiagonalen störend ins Auge fallen, sind nun nicht mehr vorhanden. Dies sorgt für eine deutlich verbesserte Detailtreue. Bildrauschen in hochfrequenten Bildbereichen wird wirkungsvoll unterdrückt, zu sehen z.B. bei schnellen Kameraschwenks. Auch feine Muster, Strukturen und detailreiche Objekte werden somit tadellos dargestellt, selbst in bewegten Bildern. Farb-, Helligkeits- und Kontrastwerte sollten sich durch die progressive Signalverarbeitung nicht verändern. 

Noch sind nicht alle Probleme bei der PAL/NTSC-Progressive-Bilddarstellung behandelt worden - eines fehlt noch: 

Von der Güte des Chroma Upsamplings hängt es ab, ob auch sehr anspruchsvolle Heimcineasten mit dem DVD-Player glücklich werden. Viele anspruchsvolle Filmliebhaber kreiden verschiedenen Progressive Scan-fähigen DVD-Playern den sogenannten "Chroma Bug" (Chroma Upsampling Error) an. Dieser "Chroma Bug" tritt in NTSC-Progressive und in PAL-PS auf  und macht sich insbesondere dann bemerkbar, wenn kräftige Farben (besonders gut eignen sich Rottöne) vor dunklem Hintergrund auftreten, so z.B. eine kleine rote Fläche vor schwarzem Hintergrund. Es bilden sich in der roten Fläche sichtbare, waagrechte dunkle Streifen, ebenfalls scheint er Farbverlauf an den Objektenden nicht absolut deckungsgleich zu sein. Zum "Chroma Bug" noch einige Anmerkungen: Um ihn ausfindig machen zu können, braucht man schon das geeignete Equipment, d.h. in erster Linie ein hochwertiges Bildwiedergabegerät. Dies bestätigen die Chroma-Bug-Experten von der US-Site hometheaterhifi.com: "As mentioned above, this problem has been around for a long time. It's only just now being noticed largely because one needs a good high-resolution display, such as a front projector and a six foot projection screen, to really see the problem clearly. In addition, the increasingly common use of large progressive displays has really allowed people to get up close to the screen and see every artifact magnified in great detail". Zusätzlich ist eine qualitativ hochwertige Verkabelung von Nöten, um den Chroma Bug beobachten zu können. Denn billige Kabel können weitaus schlimmere visuelle Schnitzer verursachen als der Chroma Bug.  Um die Qualität des Chroma Upsamplings beurteilen zu können, braucht man gut geeignete Testscheiben (z.B. "Toy Story") und viel Zeit. 

Die Marktsituation

PAL Progressive beherrschen inzwischen schon eine ständig größer werdende Auswahl an DVD-Playern, an Bildausgabegeräten gibt es ein relativ großes Sortiment an Projektoren, die dieses Signal akzeptieren. Auch immer mehr Plasmabildschirme und TV-Geräte nehmen PAL- und NTSC-Progressive-Bildsignale entgegen. In nächster Zeit wird die Möglichkeit zur progressiven Signalverarbeitung mehr und mehr Bedeutung. Es aber muss hinzugefügt werden, dass visuell weniger anspruchsvolle Käufer (und erfahrungsgemäß gibt es mehr weniger anspruchsvolle Anwender als visuell sehr anspruchsvolle Heimcineasten ) auch aufgrund ihres unzureichenden Equipments kaum Wert auf die Vorzüge von Progressive Scan legen. Nur in einiger Zeit, wenn sich PAL Progressive durch weiter sinkende Preise und ein weiter stark ansteigende Anzahl an erhältlichem Equipment auf breiter Front durchsetzt, werden auch die "Normal-DVD-Zuschauer" feststellen, dass das Vollbildverfahren viele sichtbare Vorteile bietet. Wir wollen aber nicht verschweigen, dass es einen DVD-Player mit absolut perfektem Bild noch nicht gibt, wohl aber viele Modelle, die bereits ein hohes Maß an Ausgereiftheit erreicht haben. Wir raten, sich lieber einen höher preisigen, mit aufwändiger Technik ausgestatteten Progressive Scan-DVD-Player zu kaufen als ein sehr günstiges Modell, bei dem diese Funktion eher als Bonus-Feature als als Hauptbestandteil der technischen Basis angesehen werden kann.

Einige Anbieter von DVD-Player mit PAL/NTSC-Progressive-Signalverarbeitung:

Sehr detaillierte Informationen zum Thema Progressive Scan finden Sie bei Cine4home.
Im englischsprachigen Raum ist die Website hometheaterhifi zu empfehlen.

Text: Carsten Rampacher

24. November 2003