Test: Funkkopfhörer mit Dolby Digital-Decoder AKG Hearo 999 Audiosphere

16.07.2002 (cr)

Ausstattung

Wer seine DVD-Filme ohne die üblichen lautstärkebedingten Beeinträchtigungen für die Mitmenschen genießen möchte, bekommt von den Kopfhörerexperten von AKG die Gelegenheit dazu: Das mit 559 EUR nicht gerade preisgünstige Set besteht aus einem 230 g wiegenden Funkkopfhörer und einer Kontrolleinheit, in die unter anderem ein Dolby Digital-Decoder integriert ist. Das System ist insgesamt ordentlich verarbeitet, der Kopfhörer liegt gut am Kopf an und bietet einen tadellosen Tragekomfort. Mitgeliefert werden zwei AAA-1,2 V-Micro-NiMh-Akkus, die eine Betriebszeit (bei voller Aufladung, die 14 Stunden dauert - etwas zu lang) von 5 Stunden ermöglichen. Sollte es einmal nötig sein, die Akkus aufgrund nachlassender Leistung auszutauschen, so ist dies ohne größeren Aufwand innerhalb sehr kurzer Zeit möglich.

Um die Hochwertigkeit der Prozessor-/Anschlusseinheit weiter zu steigern, könnte AKG die Frontplatte, die aus nicht allzu edlen Plastik gefertigt ist, durch ein Aluminium-Paneel ersetzen. Technisch besitzt das AKG-System eine Menge interessanter Ausstattungsmerkmale: So die AKG-Entwicklung "IVA" (Individual Virtual Acoustics), die einem bei Kopfhörern nicht unbeträchtlichen Problem entgegen wirken soll: So hat man beispielsweise bei einem Orchestereinsatz das Gefühl, dass das Orchester im Kopf und nicht im Raum spielt - mit anderen Worten: Es stellt sich als schwierig dar, Schallquellen beim Hören zu erzeugen, die scheinbar außerhalb des Kopfes liegen. Mittels speziell entwickelter Ohranpassungsfunktionen bildet IVA den Einfluss des Kopfes und der Ohrmuscheln auf die eintreffenden Schallwellen nach. 

IVA-Arbeitsweise in stichpunktartiger Kurzform: 

  • Beim natürlichen Hören, also ohne Kopfhörer, verändern Kopf und Ohrmuscheln die Schallwellen an beiden Ohren unterschiedlich. Amplituden- und Phasenverschiebungen schaffen einen räumlichen Höreindruck.
  • Diese Amplituden- und Phasenverschiebungen sind beim Hören mit einem herkömmlichen Kopfhörer ausgeschaltet, was zur Folge hat, dass die Schallquellen im Kopf und nicht im Raum lokalisiert werden.
  • Dem soll IVA entgegen wirken, mittels der Ohranpassungsfunktion soll so ein räumlich-realistischer Klangeindruck wie beim natürlichen Hören entstehen.
  • Für ein noch effektiveres Arbeiten von IVA stehen neben einer Standart-Ohrkurve eine Auswahl von sechs repräsentative Ohrkurven zur Verfügung, die laut AKG nach dem Messen vieler Außenohr-Übertragungsfunktionen elektronisch nachgebildet wurden. Mit einem Wahlschalter auf der Vorderseite der Kontrolleinheit kann der Benutzer die verschiedenen Ohrkurven miteinander vergleichen und diejenige auswählen, die das natürlichste Klangbild für seinen individuellen Eindruck erzeugt. Der Wahlschalter für die Ohrkurven ist nur im IVA-Modus aktiv.

Doch auch ansonsten gibt es eine Menge Technik: So gibt es einen "Sound"-Drehschalter auf der Prozessorvorderseite, der ebenfalls für das Zusammenspiel mit dem IVA-Modus gedacht ist. Der Drehschalter ist insgesamt 12-stufig ausgelegt und bietet in vier verschiedenen Klangprogrammen je 3 Panorama-Einstellungen (enger, mittlerer, weiter Abstand zwischen den virtuellen Lautsprechern). Im einzelnen sind das:

  • Norm: Basis-Klangprogramm für Programmmaterial jeglicher Art
  • Music: Linearer, neutraler Klang für eine klare Musikwiedergabe
  • Voice: Nomen est Omen, auf Sprachverständlichkeit hin optimiertes Programm, z.B. für Radio- und TV-Sendungen mit hohem Sprachanteil
  • Movie: Für Dolby Digital 5.1- und Dolby ProLogic-Filmmaterial

Zusätzlich gibt es noch einen "Dynamic"-Schalter: Bei Dolby Digital-codiertem Material können die Dynamikunterschiede zwischen den leisesten und den lautesten Stellen sehr hoch sein, so dass leise Dialoge nicht mehr gut zu verstehen sind. Bei gedrückter Dynamic-Taste wird die Gesamtdynamik reduziert, leise Stellen werden automatisch lauter und laute Stellen automatisch leiser. In der Praxis geht bei Aktivierung dieser Funktion aber einiges an Filmspass verloren. 

Außer dem bereits beschriebenen IVA-Modus gibt es noch weitere Betriebsarten. So ist der Hearo 999 auch für den Betrieb mit Lautsprechern gerüstet, über die Zweikanal-Lineout-Anschlüsse auf der Rückseite der Anschluss-/Prozessoreinheit kann das System mit den entsprechenden "Tape In"- oder "Aux In"-Anschlüssen an einem herkömmlichen Verstärker verbunden werden. Sinn dieser Übung ist es, die "VMax"-Funktion des Hearo-Klangprozessors zu nutzen, die bei nur zwei vorhandenen, im geringen Abstand voneinander aufgestellten Lautsprechern eher bescheidene Stereobasis zu erweitern. In der Betriebsart "VMax" gibt es entweder die Möglichkeit der reinen Stereowiedergabe (Surround-Wahlschalter auf "Off") oder die Auswahl zwischen den drei Raumklang-Simulationsprogrammen "Club", "Hall" oder " "Stadion" (diese Programme können auch im Kopfhörer-Betrieb eingesetzt werden, wenn Stereomaterial entsprechend aufbereitet werden soll). Auch der "Sound"-Wahlschalter tritt in diesem Modus in Aktion, aber anders als oben beschrieben: Hier nun wird der Schalter entsprechend dem Basiswinkel zwischen den Lautsprechern auf "eng" (<10 Grad), "mittel" (ca. 20 Grad) oder "weit" (>30 Grad). Der VMax-Prozessor simuliert in jeder dieser Stellungen ein virtuelles Lautsprecherpaar mit einem Basiswinkel von 60 Grad. Die Ausstattung ist insgesamt reichhaltig, für die Zukunft wären aber noch eine Decodiermöglichkeit für DTS-Filme und ein Dolby PLII Decoder wünschenswert.

Bewertung 
 
Klang

Die Klangqualität ist im Heimkinobereich überraschend gut. Hier zahlt sich offensichtlich der hohe Entwicklungsaufwand, der betrieben wurde, aus. Bei "Independence Day" und bei der "Mumie" gefiel uns die erstaunlich natürliche Räumlichkeit, so dass hier das Ziel der IVA-Entwickler, das Gefühl zu erzeugen, außerhalb des Kopfes liegende Schallquellen wahrzunehmen, erreicht wurde: Denn es erstaunt auch die Qualität der Effektortbarkeit, Effekte, die von hinten links kommen (Vergleichstest mit natürlichem Hören über 5.1-Lautsprechersystem), werden auch als von dort kommend wahrgenommen. Auf erfreulichem Niveau ist auch die Klanggüte bei der Stimmwiedergabe. Hier schafft es der Hearo 999, einen erstaunlich differenzierten Aufbau zu schaffen. Dass ein solches System aber keine Wunder vollbringen kann, wird bei der Tiefbasswiedergabe deutlich: Hier erbringt der Hearo zwar innerhalb der systembedingten Grenzen eine respektable Leistung, aber gerade beispielsweise in der Anfangsszene und den erbitterten Schlachten zwischen den feindseligen Aliens und den Erdenbürgern fehlt es doch an solidem Tiefbassfundament. Damit hier aber keine Zweifel an den Relationen aufkommen: Für ein solches System ist der Klangeindruck auch im unteren Frequenzbereich wirklich in Ordnung - nur sollte sich der Heimcineast, der fürs Filmehören ohne klangliche Belastung der Mitmenschen in seiner Umgebung ein System sucht, das klanglich die Bassgewalten seines 5.1-Lautsprechersystems ersetzt, keinen Illusionen hingeben, dass ein wie auch immer geartetes Surround-Kopfhörersystem den Hörspaß eines ausgewachsenen Lautsprechersystems vollkommen ersetzen kann. Insgesamt aber überzeugt der Hearo im Heimkino-Betrieb durchaus und ist daher für alle, die den Kopfhörer in erster Linie zum Zweck nutzen, Filme anzuhören, gut geeignet - das gesamte Klangbild ist nicht fade und emotionslos, sondern durchaus variantenreich und lebendig. Allerdings wäre es wünschenswert, dass die AKG-Techniker beim Nachfolgemodell des Hearo 999 ein nochmals niedrigeres Grundrauschen realisieren. Gerade, wenn man mit etwas forcierterer Lautstärke hört, ist das Rauschen in den dialogbetonten, leisen Filmsequenzen störend. Noch etwas höher könnte auch der maximal mögliche Pegel ausfallen. Übrigens: Je nach Software und der Zeit, die man für eine optimale Justage opfern möchte, kann man durch Experimentieren mit den verschiedenen Ohrkurven tatsächlich noch eine Steigerung bezüglich der Natürlichkeit des Klanges realisieren - es handelt sich aber um eine evolutionäre und keine revolutionäre Verbesserung. 

Für den Musikbetrieb mit Musik-DVDs in Dolby Digital 5.1 eignet sich das System befriedigend - mit einigen Nachteilen muss man sich anfreunden können. Hörbar werden diese Nachteile in Form der nur durchschnittlichen Transparenz und Klarheit im Hochtonbereich. So hat man, gerade bei der Wiedergabe klassischer Musik, öfters das Gefühl, es liege ein leichter Schleier über dem Orchester oder dem gerade ausführenden Solisten, der der Darbietung Brillanz nimmt. Das gesamte Klangbild wirkt auch von der Dynamik her leicht komprimiert, hier zeigt sich eben doch, dass selbst eine ausgeklügelte Funkübertragung in den Punkten Frische, Dynamik und Präzision noch nicht optimal arbeiten kann. Auch im Musikbetrieb stört gerade bei leisen, feinen Passagen wie z.B. von einer virtuos gespielten Geige das deutlich hörbare Rauschen. Hier sollte der anspruchsvolle Klassik- oder Jazzfreund also auf jeden Fall erst einmal Probe hören, um herauszufinden, ob er sich mit der Wiedergabegüte anfreunden kann. Als etwas problematisch gestaltet sich der Umgang mit den DSP-Programmen, wenn Stereo-Material nachbearbeitet werden soll. Denn es entsteht zwar durchaus ein Eindruck von Räumlichkeit, aber der Hallanteil ist bei allen Variationen zu hoch ausgefallen, was die Klangqualität im Hochtonbereich ebenso schmälert wie die Präzision. Wenn man den Dolby Pro Logic Decoder in Betrieb nimmt, kann das Ergebnis leider auch nicht überzeugen, das Klangbild ist zu mittenlastig und zu wenig differenziert. Hier wäre es eine sinnvolle Lösung, zukünftig einen Kopfhörer mit einer sauberen Dolby ProLogic II-Integration anzubieten, da dann einer weiter optimierten surroundtechnischen Aufbereitung nichts mehr im Wege stünde. Da es bereits einen AKG-Kopfhörer mit Logic7 gibt, wird ein Test dieses Kopfhörers in Kürze folgen. 

Bewertung 

 

Fazit

Für den Heimkinofan, der ganz für sich und ohne "Nebenwirkungen" für die Umwelt seine DVD-Kollektion anschauen möchte, ist der AKG Hearo 999 sicherlich eine Überlegung wert. Auch für die Leute, die sich kein 5.1-Lautsprechersystem im Wohnzimmer aufstellen wollen oder können, haben mit dem Hearo 999 die Möglichkeit, Heimkino-Feeling ohne großen Raumbedarf genießen zu können - und das auf einem durchaus brauchbaren Niveau: Überraschend gut ist die räumliche Wirkung, ebenso lassen sich Effekte tatsächlich präzise orten. Hier ist man wirklich positiv angetan, die Entwickler von AKG haben bezüglich dieser Faktoren sehr gute Arbeit geleistet. Der Bassbereich ist in Ordnung, es muss aber dem Heimcineasten klar sein, dass via Kopfhörer hier nicht dasselbe Feeling geboten wird wie beim Hören über ein 5.1-Lautsprechersystem: Gerade im untersten Tiefbassbereich tut sich nicht so viel. Trotzdem, für einen Kopfhörer ein respektables Ergebnis, ebenso die erstaunlich differenzierte Stimmwiedergabe. Für den anspruchsvollen Musikliebhaber ist der AKG aber nur bedingt geeignet. Zwar ist im Dolby Digital 5.1-Betrieb auch die Räumlichkeit recht brauchbar, aber die Transparenz im Hochtonbereich ist nur durchschnittlich, ebenso die musikalische Präzision. Daher wird der Klassik- oder Jazzfan etwas Feinauflösung, Präzision und Transparenz vermissen. Bei der Aufbereitung von Stereo-Signalen mittels der umfangreichen Nachbearbeitungsmöglichkeiten kann eine gute Raumwirkung erzeugt werden, leider aber hat man es mit der Hallabmischung etwas zu gut gemeint - hier wäre weniger klar mehr. Schade, dass der Hearo 999 noch keinen Dolby ProLogic II-Decoder mitbringt. Sollte dieses Manko sich mit der nächsten Generation ändern, könnten sich die AKG-Techniker auch noch mit dem noch etwas zu hohen Rauschpegel auseinander setzen. Bei etwas forcierter Lautstärke ist das Rauschen, gerade bei dialogbetonten Filmteilen, zu dominant. Der Tragekomfort ist schon jetzt sehr gut, der Kopfhörer ist nicht zu schwer und passt sich gut der Kopfform an. Das größte Manko des gut verarbeiteten Hearo 999 ist eigentlich sein sehr hoher Preis, der einige Interessenten vom Kauf abhalten wird. 

Der AKG Hearo 999 ist gerade für den Heimkinoeinsatz recht gut geeignet - aber leider auch sehr teuer und mit systembedingten Nachteilen behaftet

Oberklasse
Preis-/Leistung:
Pro:
  • Sehr gute Raumwirkung via Kopfhörer

  • Exakte Effektortbarkeit im Filmbetrieb

  • Sehr guter Tragekomfort

  • Tadellose Verarbeitung

  • Große Funktionsvielfalt

Contra:
  • Transparenz im Musikbetrieb verbesserungsfähig
  • Zu gut hörbares Rauschen
  • Kein Dolby ProLogic II- und kein DTS-Decoder
  • Hoher Preis
Technische Daten:
  • Kopfhörer:

  • Halboffener dynamischer Hörer

  • Frequenzgang: 20 Hz bis 24000 Hz

  • Max. Schalldruckpegel: > 115 dB SPL

  • Klirrfaktor: < 1 %

  • Betriebsdauer: ca. 5 Stunden (mit NiMh-Akkus, 1,2 V, 2 Stück mitgeliefert)

  • Gewicht: 230 g

  • Dolby Digital/Dolby ProLogic-Decodereinheit:

  • Audio-Bandbreite: 20 Hz bis 24000 Hz

  • Digitale Signalverarbeitung: 20/24 Bit Auflösung

  • Audio-Eingänge: 1 x optischer, 1 x koaxialer Digitaleingang, umschaltbar, 1 x Stereo-Analog-Cinch

  • Audio-Ausgänge: 1 x Stereo-Analog-Cinch

  • Gewicht: ca 550 g

  • Max. Reichweite: ca. 50 Meter

  • Preis: 559 EUR (UVP)