TEST: Grundig Stereo-Lautsprecher Audiorama 9000 - Design-Klassiker mit 360 Grad-Abstrahlcharakteristik 

18.05.2009 (cr)

Einführung

In den 70er Jahren erblickte die kugelförmige Grundig-Box Audiorama das Licht der Welt und sorgte mit ihrem damals revolutionären Design für Aufsehen – die spezielle Formgebung sorgte aber nicht nur für optische, sondern auch für akustische Akzente, denn eine 360 Grad-Abstrahlung war die klangliche Folge des progressiven Designs. Nun ist die Audiorama zurück - als Audiorama 9000 mit beeindruckenden Daten: Die 4 Ohm-Konstruktion weist eine Nennbelastbarkeit (dauerhafte Belastbarkeit) von 120 und eine Musikbelastbarkeit (kurzzeitige Belastbarkeit) von 180 Watt auf - eine Menge für eher designorientierte Lautsprecher. In schwarzer oder weißer Version lieferbar, kostet ein Paar Audiorama 9000 inklusive eleganter Standfüße faire 1.199 EUR. Alternativ kann der Lautsprecher auch an der Decke installiert werden. Wir haben uns Grundigs Design-Klassiker genau angehört - ist er "fit" für die neue Zeit?

Verarbeitung/Technik

Elegante Optik von allen Perspektiven aus

2 Tiefmitteltöner mit 140 mm Durchmesser

Solide Verschraubung

Ring zwischen den Kugelhälften aus Metall

Anschluss des Lautsprecherkabels innen

Kunststoff-Struktur unter der Stoffbespannung

Kabelführung unten am Standfuß

Die Grundig Schallwandler sind sorgfältig verarbeitet. Die Bespannung der Kugel besteht aus sehr gut sitzendem Stoff, der auf einem Kunststoffkorsett ruht. Der Ring zwischen den Kugelhälften besteht aus Metall, ebenso das silberne Element oben auf dem Lautsprecher. Die Kabelführung erfolgt durch den Fuß, Kabel mit mehr als 2,5 mm Querschnitt sollten nicht eingesetzt werden. Der Standfuß besteht komplett aus Metall. Öffnet man die untere Kugelhälfte, so werden die beiden sauber eingepassten Tiefmitteltonchassis mit jeweils 140 mm Durchmesser und Aluminium-Membran sichtbar. Sie sind fest mit dem Rest des Gehäuses verschraubt. Als Hochtonchassis fungiert eine 30 mm Textilkalotte. Die Audiorama wartet mit einem Frequenzgang von 50 bis 30.000 Hz auf, die Impedanz beträgt 4 Ohm. Die Musikbelastbarkeit liegt bei 180, die Nennbelastbarkeit bei 120 Watt. Das Gewicht beträgt 7 kg, mit einem Durchmesser von 32 cm ist der Lautsprecher auch in kleineren Wohnräumen problemlos unterzubringen.  Gesamtnote Verarbeitung/Technik in Relation zur Preisklasse: Ausgezeichnet. 

Testequipment
Klang

Wir waren gespannt, zu welchen klanglichen Leistungen die Audiorama 9000 fähig sind


CD, Mario Lopez, Music for the Masses: Leicht verdaulicher Trance, meist mit Vocals, prima für gute Laune, schnelle Beats, garniert mit interessanten Effekten: "Music for the Masses" macht in Verbindung mit einer guten Wiedergabekette richtig Freude. Wir wollten wissen, ob die beiden Audioramas die Charakteristik der Musik gut zum Auditorium transportieren kann. Der Bass ist sehr angenehm, lässt aber Härte vermissen. Ansonsten aber konnten die Audioramas bei der Präsentation der Mario Lopez-Version von "You Came" durchaus gefallen. Die Raumwirkung ist dank der 360 Grad-Abstrahlung sehr gut, und man kann sehr gut auch mit mehreren Zuhörern der Musik lauschen - ebenfalls dank der Abstrahlcharakteristik. Der klare und erstaunlich druckvolle Sound hat uns überrascht, die beiden Schallkugeln fürchten sich keinesfalls vor höheren Pegeln. Sie erzeugen in in sich schlüssiges Klangbild, das mit der harmonischen und nie aggressiven Auslegung auch für längeres Hören tadellos geeignet ist. Nun wenden wir uns dem Stück "Sunday Afternoon" auf der gleichen CD (ohne Vocals) zu. Auch hier ist heraus zu hören: Die beiden Audioramas spielen mit Schwung und Verve. Bei stark erhöhtem Pegel leidet nur das Differenzierungsvermögen etwas, kleine Details werden dann nicht mehr so gut eingearbeitet wie bei niedrigerer Lautstärke. Verzerrungen sind aber kaum heraus zu hören. Dies liegt auch an der eher "milden" Auslegung des Hochtonbereichs. Dieser klingt samtig und harmonisch, aber nicht über alle Maßen brillant. Hörer, die es absolut glasklar und messerscharf umrissen mögen, sind hier daher an der falschen Adresse. Dass der Hochtonbereich diese Charakteristik aufweist, ist aber auch auf das spezielle Bauprinzip zurück zu führen. Hervorragend tragen die Grundig-Boxen alle Arten von Effekten in den Raum - sie "kleben" nicht an den Lautsprechern, sondern werden ausgezeichnet von den Kugeln gelöst und scheinen beinahe frei im Hörraum "zu schweben". 

CD, ATB - Future Memories, CD 2: Dass die Grundig-Kugeln für das kleine Gehäusevolumen einen ordentlichen Tiefgang mitbringen, beweisen sie zu Beginn des Ambient-lastigen Tracks "Horizon": Eine überraschend souveräne Wiedergabe tiefer Frequenzen wird erneut mit erstaunlichem Volumen und sehr guter Raumwirkung kombiniert. Die verschiedenen klanglichen Ebenen werden sauber auseinander differenziert. Die hervorragende Arbeit in Bezug auf die räumliche Darstellung wird deutlich, als im Hintergrund der tiefe Bass zu hören ist und im Vordergrund verschiedene per Computer erzeugte Effektkombinationen spielerisch durch die Boxen gleiten: Hier stellt die Audiorama klar heraus, dass die eine Ebene weiter hinten aufgebaut ist und die andere im Vordergrund steht. Eine so weite, vielschichtige Öffnung des Raums kennen wir ansonsten nur von Surroundanlagen. Selbst viele per psychoakustischen Tricks auf Surround getrimmte 2.1-Lösungen bieten nicht das intensive räumliche Empfinden, welches die beiden Audioramas in Verbindung mit einer normalen Stereo-Vor-/Endstufenkombination ohne Pseudo-Surround-Erzeugungs-Programme realisieren. Auch bei "Voices" gelingt ein atmosphärisch dichter Aufbau, exakt nachvollziehbar baut sich das Klangspektrum auf. Kleine Dynamikunterschiede erfassen die Audioramas spontan und mit der nötigen Sensibilität. Auch bei der Darstellung der beiden ATB-Stücke zeigt sich die Charakteristik der Audiorama: Intensiv in der Raumwirkung, gekonnter Effektaufbau, harmonischer, jedoch nicht sehr brillanter Hochtonbereich, sehr gute, fließende Einarbeitung der Mitten. 

SACD, Smetana, "Die Moldau": Das Fließende, Sanfte, gleichzeitig aber enorm Differenzierte, das dieses wunderschöne Werk auszeichnet, wird überraschend gut von den doch recht preiswerten Audiorama-Schallwandlern zum Ausdruck gebracht. Bei der Hervorhebung der fließenden, sich sanft aufbauenden musikalischen Bewegung ist die Abstrahlart erneut eine Hilfe. High-Fidele Zeitgenossen mit großem Präzisionsanspruch werden zwar die absolut sichere Ortung aller Instrumente ein wenig vermissen, wer aber anstatt mit analyitischen Gedanken im Kopf einfach nur mit Freude hört, wird mit der harmonischen, räumlich dichten Darstellung sehr gut klar kommen. Dass hier verschiedene akustische Ebenen vorhanden sind, arbeiten die beiden Audioramas treffend heraus. Die "Moldau" begeistert hier durch ihre enorme Tiefen- und Breitenwirkung. Es ist höchst überraschend, was für ein entspanntes, aber gleichzeitig intensives Hören möglich ist. 

CD, "Andrea" von Andrea Bocelli: Bei "Dell' Amore non si sa" punktet die Audiorama zu Beginn des Stücks mit ihrem guten Tiefgang und dem tadellosen Volumen. Klar: Wer alle subtilen Einzelheiten, die sich im Frequenzkeller abspielt, herausgearbeitet haben möchte, benötigt einen aktiven Subwoofer. Für die meisten Anwender aber, und das sorgt für viele Punkte auf dem Grundig-Konto, reichen die beiden Audioramas ohne Zusatz-Basslautsprecher aus. Die Stimme Bocellis wird mit guter Auflösung und ausgezeichneter Einarbeitung ins musikalische Gesamtgeschehen präsentiert. Es fehlt bei der Darstellung die letzte Ausprägung der vokalen Details - dafür aber erscheint der wiedergegebene Raum dreidimensional und vielschichtig. Dass so preiswerte, auf Design "getrimmte" Schallwandler ein solches Faszinationpotential bieten, ist wirklich hervor zu heben. Bei "'L'attesa" erscheint Bocellis Stimme erneut räumlich dicht und einnehmend - das Kleine, Platte, was bei preiswerteren Boxen oftmals einem intensiven, direkten Hörerlebnis entgegen wirkt, ist hier kaum heraus zu hören.

Insgesamt sind folgende Feststellungen zu treffen:

  • Die Audiorama 9000 sorgt für einen atmosphärisch dichten, weitläufigen Raumeindruck 
  • Verschiedene akustische Ebenen werden sehr gut auseinander differenziert
  • Die Platzierung sollte am besten in deutlicher Entfernung von den Wänden des Hörraums erfolgen. Ansonsten kann sich der Lautsprecher mit seiner 360 Grad-Abstrahlung nicht voll entfalten
  • Durch die spezielle Abstrahlcharakteristik können problemlos auch mehrere Zuhörer, sogar an unterschiedlichen Plätzen im Hörraum, der Musik lauschen.
  • Die Boxen brauchen einen relativ potenten Zuspieler. Preiswerte Stereoverstärker der 400 EUR-Liga oder Komplettsysteme (CD-Receiver etc.) liefern kaum die Kraft, die die Audioramas benötigen. Daher raten wir mindestens zu einem Mittelklassestereo-Verstärker. Sollen die Audioramas als Bestandteil eines Surroundsystem betrieben werden, so raten wir zu AV-Receivern ab 1.500 EUR
  • Optimal einzusetzen sind die Audioramas als 2.0 Stereosystem in Hörräumen zwischen 15 und knapp 35 Quadratmetern.
  • Der harmonische Hochtonbereich eignet sich sehr gut für lange Hörsessions.
  • Streng nach der reinen HIFI-Lehre denkende Hörer sollten sich diese Lautsprecher aufgrund ihres Arbeitsprinzips nicht zulegen. Die Präzision bei der Ortung einzelner Instrumente oder vokaler Strukturen kann nicht so hoch liegen wie bei normalen direkt nach vorn abstrahlenden Lautsprecherboxen. Auch der Hochtonbereich ist eher auf Harmonie als auf maximale Brillanz ausgelegt. 

Alternativen:

  • Die Nubert nuVero 4 ist der absolute "Star" unter den Regallautsprechern der Preisliga um 1.200 EUR (bezogen auf den Paarpreis). Tonal neutral, sehr dynamisch, enorm pegelfest - und dazu kommen die schöne Optik und die exzellente Verarbeitung. Als Alternative für den Designliebhaber eignet sich die Audiorama aber absolut. Natürlich bietet sie nicht den präzisen, makellosen Hochtonbereich der nuVero 4, auch ist sie nicht ganz so enorm pegelfest - mit dem tollen Raum, den sie aufbaut, und dem im höchsten Maße angenehmen Sound stellt die Audiorama aber auch ein überzeugendes Gesamtkonzept dar.
  • Preislich etwas über Audiorama 9000 liegt die Aurum 370 (um 1.300 EUR). Ihr brillanter, seidiger Hochtonbereich ist das Kennzeichen der Box, die erstklassig verarbeitet ist, mit ihrer konventionellen Optik Designliebhaber aber nicht so stark anspricht. Typisch für Lautsprecher aus dem Hause Aurum ist sie sehr pegelfest und muss sich nur knapp der nuVero 4 geschlagen geben. Gerade für Liebhaber von klassischer Musik oder von fundierter Rockmusik ist die Aurum 370 eine sehr verlockende Offerte. 
  • An eine Zielgruppe mit anderem Fokus richtet sich die Klipsch Reference RB-81: Mit einem Paarpreis von 800 EUR ist die große Regalbox ausgesprochen preisgünstig. Die Grobdynamik und die Pegelfestigkeit setzen Maßstäbe in der Liga um 800 EUR. Die Gehäuseverarbeitung ist sehr robust, aber schlicht - ein Schallwandler wie geboren für einen zünftigen Männerhaushalt. Filigranes Agieren liegt dem impulsiven Lautsprecher nicht ganz so sehr - dafür eignet sie sich ideal als Front L/R-Box für Mehrkanal-Setups.
  • Schon fast wie ein Studiomonitor arbeitet die kleine Canton Ergo 602, die sich in etwa in der Preisklasse der Klipsch befindet. Sie spielt sehr neutral und klar, die Stimmwiedergabe ist ausgezeichnet. Der Raum, der sich öffnet, ist aber bei weitem nicht so weitläufig wie bei der Audiorama. Auch ist die kleine Canton etwas spitzer in der Auslegung und bleibt nicht so lange souverän-harmonisch wie die Grundig-Box. Dafür arbeitet die Ergo 602 enorm präzise, wenn sie korrekt aufgestellt ist. Bezüglich des Tiefgangs setzt das kleine Gehäusevolumen rasch Grenzen. 

Gesamtnote Grundig Audiorama 9000 in Relation zur Preisklasse: Ausgezeichnet - hervorragend. 

Fazit

Extravagante Optik, räumlicher Klang: Audiorama 9000

Die Audiorama 9000 sind nicht nur optisch, sondern auch klanglich begeisternde Schallwandler, die zum fairen Kaufpreis mit einer hochwertigen Verarbeitung auftrumpfen können. Akustisch sind sie auf einen leistungsstarken Verstärker angewiesen, dann können sie sich voll entfalten und eine beeindruckende Räumlichkeit, gepaart mit harmonischem Klang und sehr guter Pegelfestigkeit, präsentieren. Durch die sehr ausgewogene Auslegung ohne tonale Schnitzer eignen sich die Audiorama zur Wiedergabe praktisch aller Musikrichtungen. Bilanzierend stellen die "wiederauferstandenen" Klassiker eine hervorragende Synthese aus extravagentem, zeitlosen Design und klanglicher Reife dar. 

Legendärer Design-Klassiker, der optische Schönheit mit akustischer Harmonie geschickt zu verbinden weiß

Stereo-Lautsprecher obere Mittelklasse
Test 18. Mai 2009
Preis-/Leistungsverhältnis

+ Sehr gute Loslösung des Klangs vom Lautsprecher
+ Beeindruckende Raumwirkung dank 360 Grad-Abstrahlcharakteristik
+ Tonal überraschend ausgewogen
+ Harmonischer Sound
+ Tadellose Pegelfestigkeit
+ Extravagante Optik
+ Saubere Verarbeitung

- Kabelführung etwas beengt
- Hochtonbereich nicht überdurchschnittlich brillant

Test: Carsten Rampacher
18. Mai 2009