TEST: Stereo-Lautsprecher Klipsch Heresy III

23.04.2008 (cr)

 

Einführung

Es gibt Produkte, denen scheint ein endlos langes Leben vergönnt zu sein - durch die durchdachte Konzeption und spezifische Reize bleiben sie immer aktuell. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist die in ihrer ursprünglichen Form bereits 1957 präsentierte "Heresy" aus dem Hause Klipsch, inzwischen als "Heresy III" auf dem Markt und pro Stück 1.000 EUR kostend. Dass "Oldies" durchaus Qualität haben können, wissen wir auch aus anderen technischen Gebieten: So ist auch die Automatik-Taucheruhr "SuperOcean" aus dem traditionsreichen Hause Breitling ein Klassiker, der nie an Aktualität eingebüßt hat. 

Ihre Ursprünge reichen bis ins Jahr 1957 zurück, doch sie sind technisch immer noch aktuell: Breitling Superocean und Klipsch Heresy

Dass diese Uhr hier Erwähnung findet, verdankt sie der Tatsache, dass sie im selben Jahr wie die Heresy das "Licht der Welt" erblickt hat. Doch zurück zu unserem Testkandidaten. Ausgestattet mit Hoch- und Mitteltonhorn sowie einem auch daraus resultierenden sehr hohen Wirkungsgrad, macht sich die in Walnuss, Kirsche oder Schwarz lieferbare Heresy daran, auch heute noch als verheißungsvolle akustische Alternative eine gute Figur in der heimischen Stereoanlage abzugeben. Ob diese Mission gelingt, klärt unser Testbericht.  

Technische Daten

Hoch- und Mitteltonhorn

Bi-Wiring-Anschlussterminal

Sockel mit leichter Anwinklung, so dass die Box akustisch genau zum Hörer zielt

Die geschlossen konstruierte Heresy setzt mit ihrem enorm hohen Wirkungsgrad von 99 dB (1W/1m) Maßstäbe, denn durch diese effektive Umsetzung eingehender Energie kann sie auch mit weniger leistungsfähigen Verstärkereinheiten betrieben werden. Bei +/- 3 dB reicht der Frequenzgang von 58 bis 20.000 Hz. Der maximal erzielbare Schalldruck liegt bei immensen 116 dB. Für den Hoch- und Mitteltonbereich kommen Hornkonstruktionen zum Einsatz, ein großer Basstreiber (30, 48 cm) komplettiert die Bestückung. Die Nominalimpedanz beträgt 8 Ohm. Beeindruckend sind die Leistungsdaten: Die erzielbare Dauerleistung ist mit 100 Watt nicht sonderlich hoch gegriffen, aber die kurzfristige Impulsbelastbarkeit: 400 Watt sind für eine so kompakte Box ein Wort. Durch ein spezielles Gestell unter dem Lautsprecher ist die Heresy leicht angewinkelt, so verpuffen keine Klanganteile in Richtung der Füße der Zuhörerschaft. Gerade im Dienste einer klaren, präzise fokussierten Stimmdarstellung ist das ein nicht zu unterschätzender Vorzug.  Mit 20 kg/Stück ist die Heresy kein Leichtgewicht. Die Abmessungen von 60,5 cm (Höhe) x 39,97 cm (Breite) x 33,66 cm (Tiefe) sorgen für Wohnraumkompatibilität. Fazit: Hoher Wirkungsgrad und hohe Belastbarkeit - dadurch flexible Einsatzmöglichkeiten. Gesamtnote in Relation zur Preisklasse: Sehr gut - ausgezeichnet. 

Verarbeitung

Gute Gehäuseverarbeitung

Klassisches Klipsch-Logo

Voll befriedigende, aber nicht perfekte Einpassungen

Die Heresy ist kantig - die Oberflächengute aber geht absolut in Ordnung

Dicke Lautsprecher-Schutzgitter mit magnetischem Halt an der Box

Die Heresy präsentiert sich in insgesamt sauberem Finish. Das Ganze wirkt zwar relativ rustikal, überzeugt aber bei objektiver Betrachtung. Die Oberflächenqualität ist tadellos, das magnetisch eingepasste, dicke Lautsprechergitter liegt qualitativ sicht- und fühlbar über dem, was viele Kontrahenten bieten. Die Passform des Gitters ist gut. Das Gehäuse ist sehr eckig - zeitgemäße leichte Rundungen gehören hier nicht zum Konzept. Die Ecken sind aber ordentlich gearbeitet, was den gesamten qualitativen Eindruck weiter unterstützt. Die Chassis sind ordentlich verschraubt, das Gehäuse wirkt durch die dicken Wände sehr robust. Nicht gefiel uns die zu schlampige Verarbeitung der Boxen-Unterseite. Hier findet sich eine ungleichmäßige Oberfläche kombiniert mit Lackspritzern. Auch wenn diese Seite der Heresy im Alltag kaum sichtbar werden dürfte, kann der Kunde doch auch bei solchen Details bei einer 1.000 EUR-Box mehr Sorgfalt erwarten. Die Lautsprecherkabel-Anschlussterminals sind als Bi-Wiring-Variante ausgeführt und entsprechen dem Standard. Gesamtnote Verarbeitung in Relation zur Preisklasse: Gut - sehr gut. 

Testequipment:
Klang

Die Heresy wirkt zwar optisch angestaubt, ist aber akustisch nicht zu unterschätzen

Hornkonstruktion - aggressiv. US-Lautsprecher: Badewanne, also viel Höhen, kaum Mitten, dicker Bass. Alte Grundkonstruktion - akustisch nicht mehr zeitgemäß, man muss sich nur die antiquierte Optik anschauen. Man könnte der Heresy, wie gerade gezeigt, mit vielen Vorurteilen begegnen. Doch diese Box hat die unfundierten Abwertungen allesamt nicht verdient. Im rustikal-konservativen Gewandt versteckt sich ein Spitzenlautsprecher, der kaum einen Vergleich scheuen muss. Ganz besonders dann nicht, wenn es um das Thema Pegelfestigkeit geht, hier legt sich die Klipsch mit hervorragenden Vertretern der 1.000 EUR Standlautsprecherliga an (Canton Karat 709DC, Nubert nuLine 120) und erbringt - man mag es kaum glauben - ähnlich guter Resultate, trotz der bescheidenen Abmessungen. Bei Bon Jovis "Living on a Prayer" und bei "Keep the Faith" marschiert die Heresy auch bei großem Pegel noch so dramatisch voran, dass das Zuhören eine Freude ist. Jon Bon Jovis charakteristische Stimme trennt die Klipsch-Box auch bei hoher Lautstärke noch sauber von den Instrumenten, so dass nie der Eindruck einer einzelnen, matschig wirkenden musikalischen Ebene entsteht. Die Heresy kombiniert eine knackige Dynamik mit einem enormen Raumeindruck, ohne dass das Ergebnis aufgesetzt oder aufgeblasen erscheint. Bei Gigi d'Agostinos "Welcome to Paradise" schafft der Schallwandler ein herausragendes Volumen - dem ausladenden Tieftöner sei Dank. Die Frauenstimme stellt er mit viel Strahl- und Ausdruckskraft dar und verschafft ihr so Glaubwürdigkeit. 

Richtiger Großhallendisco-Trance wie "Ikarus - the Flight" von Flutlicht wird in einer Souveränität von der Heresy gehandelt, die Maßstäbe setzt: Knallhart ertönt der Bass, die Effekte peitschen um den Zuhörer, die bewusst aggressiv abgemischte Stimme löst sich vom Lautsprecher und zielt mitten in den Hörraum. Die Härte des Basses fällt so massiv aus, dass empfindliche Naturen den Hörraum verlassen werden - der Hobby-Trance-Dancer wird aber vor Freude explodieren, denn die Impulstreue, welche die Heresy einfach locker "aus dem Ärmel" schüttelt, ist verblüffend, beinahe schon erschreckend. Zhi-Vagos "Celebrate" ist deutlich ruhiger, daher auch gut zum chillen geeignet - die Heresy verleiht auch diesem Stück eine hohe Ausdruckskraft. Wiederum zieht der kraftvoll-harte, nicht nachhallende Bass die Aufmerksamkeit auf sich. Die recht hohe Grundgeschwindigkeit des Titels geht der Klipsch-Lautsprecher problemlos mit. Die vokal-instrumentale Verteilung ist ausgewogen, die Heresy stellt Stimmen nicht in den Hintergrund. Überhaupt überzeugt die Auskleidung des oberen Mitteltonbereichs - hier findet keinesfalls eine unpassende Zurücksetzung statt, sondern eine präzise Akzentuierung mit stimmigen vokalen Umrissen. Der KLF-Klassiker "Last Train to Transcentral" wird mit Wucht und Massivität übertragen, das Schleudern der Effekte und Soundelemente in den Hörraum gelingt der Heresy wiederum überzeugend. Teure, edle Regallautsprecher wie die Onkyo D-302E agieren zwar filigraner als die Klipsch, sind bei solchen Stücken aber schnell überfordert: Gerade die Onkyo-Box begeistert den Klassik- und JJazz-Fan durch ihren ausgeprägten Hang zur Sensibilität, für ihre Bauart ist die Box auch bezüglich der Pegelfestigkeit ansprechend. Die Wucht und die Grobdynamik der Heresy sind aber unerreichbar für die D-302E. Sehr kräftig, nachdrücklich und pegelfest ist auch die Polk Audio LSi-15 - allerdings wirkt die Box gerade im Hochtonbereich viel behäbiger und bedeckt klingender als die lebendige Klipsch. Dass subtile Klanggefüge ansprechend aufgebaut werden können, zeigt die Heresy sehr schön beim KLF-Titel "Church of the KLF" - hier werden die akustischen Elemente sehr gelungenen miteinander verknüpft. 

Kommen wir zu Klassikern der 80er Jahre - genau in diese Sparte fällt "Cold Days, hot Nights" von Moti Special. Der Bass kommt kräftig, aber ehrlich und nicht übertrieben zur Geltung. Instrumentale Einlagen und Effekte werden wieder mit hoher Schnelligkeit übertragen. Die ganze Darstellung der Heresy ist voller Schwung und von erfrischend weitläufiger Räumlichkeit geprägt. Dynamiksprünge werden sozusagen "aus dem Handgelenk" gemeistert und wirken dadurch authentisch und unmittelbar. Dieser Esprit bei der Wiedergabe zeigt sich auch bei Madonnas "Express Yourself". Durch die Anwinklung der Heresy wird erreicht, dass vokale und instrumentale Anteile das Publikum ungefiltert und präzise erreichen - die Box zeigt sozusagen genau aufs Auditorium. Beim Madonna-Hit wird dadurch erreicht, dass die Stimme atmosphärisch sehr dicht und klar umrissen erscheint. Mit Feinsinnigerem kommt die Heresy auch gut zurecht - so mit dem Thema "You only live twice" aus dem gleichnamigen James Bond-Film ("James Bond Themes", instrumental gespielt vom Royal Philharmonic Orchestra). Die klare, überraschend transparente Hochtonwiedergabe gefällt ebenso gut wie die hoch liegende Gesamtharmonie des Stücks. Einzelne Instrumente klingen nicht synthetisch, sondern realistisch und fundiert.  Bei "Live and let die" punktet die Heresy ebenfalls, und zwar schon gleich zu Beginn der gelungenen instrumentalen Interpretation beim E-Gitarren-Einsatz. Die schnell wechselnde Dynamik stellt die Klipsch-Box erneut vor keinerlei Probleme. Was den Lautsprecher auch auszeichnet, ist der hohe Wirkungsgrad, bedingt auch durch die Horn-Konstruktion. Daher ist es ohne Schwierigkeiten möglich, den Schallwandler auch an einem hochwertigen Kenwood CD-Receiver K1 zu betreiben. Auch hier liegen die erzielbaren Pegel hoch, der Bass klingt satt und klar. Natürlich sind die maximal erzielbaren Lautstärken nicht mit denen vergleichbar, die unsere sehr potente Stereo Vor-/Endstufenkombination Rotel RC1090/RB1090 ermöglicht, ungleich höher - aber es ist kein Muss, in Verbindung mit der Heresy einen enorm leistungsstarken Verstärker zu betreiben. Gesamtnote Klang unter Berücksichtigung der Preisklasse: Ausgezeichnet - hervorragend.

Fazit

Optisch "Oldschool", technisch ausgezeichnet: Die Heresy III

Für 1.000 EUR/Stück bietet die Heresy weit überdurchschnittliche Qualitäten. Die antiquierte Optik polarisiert - die akustischen Leistungen aber sind ohne Zweifel superb. Die Pegel, die die relativ kompakte Box meistert, sind so  hoch, dass viele bezüglich des Volumens und der Stellfläche deutlich größere Schallwandler verzweifelt klein beigeben müssen. Knallhart angelieferte Leistung von unserer performance-starken Vor-/Endstufenkombination setzte die Heresy mit einer Konsequenz um, die verblüffend war: Eine klare, dynamische Wiedergabe auch bei großer Lautstärke bewies, dass Klipsch-Konstruktionen nicht umsonst für die hohe Belastbarkeit berühmt sind. Durch den enormen Wirkungsgrad von 99 dB/1W/1m muss man aber keinen Verstärker-Terminator aufbieten, damit hohe Lautstärken erzielt werden können - auch ein sehr hochwertiger CD-Receiver kann zum Einsatz kommen. Die klangliche Auslegung der legendären Box hat uns überzeugt: Ehrlich, lebendig, kraftvoll - und beinahe für alle Musikrichtungen geeignet. US-Schallwandlern sagt man gerne einen laxen Umgang mit kleinen musikalischen Details nach - dass sich dieses Vorurteil keinesfalls immer bestätigt, beweist die Heresy: Sie sammelt akkurat Einzelheiten auf und fügt diese mit unglaublicher Geschwindigkeit ins gesamte akustische  Bild ein. Die Hornkonstruktion, die den bereits erwähnten exzellenten Wirkungsgrad mit ermöglicht, ist bei diesem Lautsprecher auch hervorragend gelungen. Die Heresy begeistert mit einem nachvollziehbaren, spritzigen Hochtonbereich, der aber stets neutral bleibt und nicht ungewollt ins Aggressive abdriftet. Nur, wenn es vom Medium gewollt ist und eine Stimme mit sehr viel Schmiss und etwas Schärfe auf dem Tonträger enthalten ist, transportiert der talentierte Lautsprecher diese Charakteristik auch in den Hörraum. Insgesamt begeisterte uns die Heresy III als akustisch absolut zeitgemäße Box, die in Anbetracht des Leistungsprofils auch noch preislich hochinteressant ist. 

Die antiquiert wirkende Retro-Optik täuscht - die Heresy III ist ein enorm dynamischer, natürlich darstellender und pegelfester Lautsprecher ohne akustische Schwächen

Stereo-Lautsprecher obere Mittelklasse
Test 23. April 2008
Preis-/Leistungsverhältnis

+ Sehr hohe Pegelfestigkeit
+ Trotz Horntechnik ausgewogener, klarer und angenehmer Hochtonbereich
+ Hohe räumliche Dichte
+ Sehr präzise Stimm- und Instrumentaltrennung
+ Erstaunlich vollständige Detaillierung
+ Robuste Verarbeitung

- Optik polarisiert
- Unbefriedigende Verarbeitung unterhalb des Lautsprechers

Test: Carsten Rampacher
23. April 2008