TEST: Fünf-Wege-Lautsprecher JBL TL260

27. März 2007 (cr)

Einführung

Gerade dann, wenn man schon etwas reiferen Alters ist, sollte man Geburtstage umfassend feiern und sich auch einmal etwas Besonderes gönnen - und was Einzelpersonen recht ist, wird weltweit bekannten Unternehmen nur billig sein: Pünktlich zum 60. Unternehmens-Wiegenfest gönnten sich die Lautsprecherbauer von JBL eine weltweit auf 1.000 Stück (jeweils linker und rechter Lautsprecher) limitierte und technisch auf aktuellen Stand gebrachte Neuauflage von der berühmten L250Ti: Die nun auf den Namen TL260 getaufte 5-Wege (!) - Box kostet pro Stück laut UVP 1.199 €. Wir sind gespannt, zu welchen Leistungen der pyramidenförmige Lautsprecher in unserem Praxistest fähig ist. 

Verarbeitung

Edle Plakette auf der Gehäuserückseite

Ordentliche Verarbeitung des Gehäuses

Die zahlreichen Chassis sind ordentlich eingepasst, wirken aber optisch sehr auffällig

Das befriedigend verarbeitete Lautsprecher-Abdeckgitter hinterlässt einen etwas altbackenen Eindruck

Das Lautsprecherkabel-Anschlussterminal. Darüber die Austrittsöffnung des Bassreflexrohres

An der Verarbeitung der TL260 gibt es objektiv wenig auszusetzen. Das Gehäuse wirkt robust, die Oberfläche überzeugt durch Ebenmäßigkeit und das Fehlen unschöner rauer Stellen oder Einschüsse. Auch die Gehäuseecken sind tadellos ausgeführt und abgerundet, so dass man sich beim Tragen der 38 kg wiegenden Box auch nirgendwo verletzt - es sei denn, die Sound-Pyramide fällt dem erschöpften Träger auf den Fuß. Sehr gut gefällt uns das in Gold gehaltene Schild auf der Rückseite, welches aussagt, dass die TL260 zum 60. Firmenjubiläum von JBL aufgelegt wurde. Alle Lautsprecherchassis - und das sind im Falle der TL260 eine ganze Menge - sind ordentlich eingepasst. Aus subjektiver Sicht wirkt die TL260, deren polarisierende Optik das Publikum schnell in glühende Verehrer und entschiedene Ablehner unterteilt, wie eine typisch US-amerikanische Konstruktion. Liebevolle Details, vom erwähnten goldenen Emblem einmal abgesehen, sucht man vergeblich, die ausladende TL260 vermittelt so einen etwas rauen, urtypischen Charme. Freunde einer filigranen Detailverarbeitung sind hier völlig fehl am Platze, was man auch an Einzelheiten wie dem Abdeckgitter für die Chassis merkt, das die technisch-spröde Ausstrahlung der 80er Jahre ins neue Jahrtausend überträgt. Die Lautsprecherkabel-Schraubverschlüsse sind, für Bi-Amping-Fans, doppelt vorhanden, in ihrer Ausführung bieten sie weder besondere Stärken noch ausgeprägte Schwächen. Insgesamt vergeben wir in dieser Disziplin ein "gut - sehr gut" an die JBL-Box. 

Technik

Mächtiger 30 cm Tieftöner

Mehr geht nicht mehr: Superhochtöner, Hochtöner, Mitteltöner, Mittel-/Tieftöner und Tieftöner (siehe Bild oben): Die TL260 ist als Fünf-Wege-System ausgelegt

Mit Abmessungen von 119,4 cm (Höhe), 50,8 cm (Breite) und 33 cm (Tiefe) benötigt die TL260 einiges an Stellfläche, das Gewicht fällt mit 38,2 kg zwar nicht übertrieben üppig, aber schon recht massiv aus. Der magnetisch geschirmte Lautsprecher ist gleich als Fünf-Wege-Schallwandler  in Bassreflexbauweise konzipiert. Ein groß dimensioniertes 300 mm Chassis widmet sich der Basswiedergabe. Ein 150 mm Chassis ist für Mittelton-/Bass-Wiedergabe vorhanden, dann findet sich noch ein 100 mm Chassis, welches ausschließlich für die Mitteltonwiedergabe zuständig ist - und es gibt zwei Hochtöner, ein "normales 25 mm Bauteil und einen 19 mm Superhochtöner. Mitteltöner, Mittel-/Tieftöner und Tieftöner besitzen Lautsprecherkörbe aus Aluminium  - im Gegensatz zu gestanzten Blech-Körben, die durch kräftige Bässe zu Schwingungen angeregt werden können, bleiben die Körbe aus Aluminium-Spritzguss ruhig und produzieren so keine unschönen Verzerrungen. Außerdem stört das Leichtmetall Aluminium die in der Schwingspule erzeugten Magnetfelder nicht, was der Präzision zugute kommt. Die Membran des Hochtonchassis besteht aus purem Titan, als Magnetsystem kommt ein besonders kompakter und gleichzeitig leistungsstarker Neodym-Magnet zum Einsatz. Basschassis, Mittelton-/Basschassis und Mitteltonchassis verfügen zudem über Polyplas-Verstärkungen, die die Steifigkeit der Membranen erhöhen, ohne dass die Membran deutlich an Gewicht zunimmt. Die spezielle Oberflächenbehandlung eliminiert Eigenresonanzen der Membran und sorgt für eine gleichmäßige, kolbenförmige Bewegung. Der Superhochtöner, der die TL260 auch für die Wiedergabe von DVD-A- und SACD-Software "fit" macht, ist als Hornkonstruktion ausgeführt. Die Belastungswerte der TL260 liegen bei recht schmalen 125 Watt im Dauerbetrieb, als kurzzeitige maximale Belastbarkeit werden üppige 500 Watt angegeben. JBL empfiehlt den Einsatz von Verstärkern mit Leistungen von bis zu 250 Watt pro Kanal.  Der Frequenzgang der 8 Ohm-Box geht von 32 Hz bis hoch auf 40 kHz. Der Wirkungsgrad (2,83 V @ 1 m) liegt bei 92 dB - traditionell haben JBL-Lautsprecher meist einen tadellosen Wirkungsgrad, was auch den Betrieb an weniger leistungsstarken Verstärkereinheiten ermöglicht. Bilanz: Zeitgemäße JBL-Technik in traditionellem Gehäuse -  Gesamtnote sehr gut für die TL260.

Klang

Die TL260 erwies sich als ausgesprochen pegelfest. Angetrieben wurde sie von der Rotel RC1090/RB1090 Kombination und von den Harman Kardon HK 970/HD 970 stereolegend Komponenten

Aus akustischer Sicht ist die JBL TL260 ein absoluter Spezialfall, was sie auch wiederum sehr reizvoll macht. Sie präsentiert sich als der richtige Lautsprecher für die Gruppe von Anwendern, die sehr gern laut und bassstark Musik genießen möchten. Der mächtige 30 cm Tieftöner ist hervorragend für Popmusik, Trance, Dance, House und Hip-Hop geeignet, denn er ermöglicht eine voluminöse, nachdrückliche Basswiedergabe bis in sehr tiefe Frequenzbereiche. Damit eignet sich die TL260 auch gut als leistungsstarke Frontbox bei der Filmtonwiedergabe. Wer einen kräftigen Verstärker einsetzt, wird zusätzlich zur TL260 kaum noch einen aktiven Subwoofer benötigen. Absolut souverän agiert die TL260 auch bei sehr hohem Pegel, die Membranbewegungen des Tieftöners sind nach wie vor sauber und akkurat. 

Durch die gefällige, nie schrille oder aggressive Auslegung ist es auch kein Problem, über einen längeren Zeitraum große Lautstärken zu genießen. Beim Vorwerk Remix" von Blank&Jones "Sound of Machines" (Future Trance Vol. 38) erzeugt die TL260 viel Volumen und offeriert zudem eine reichhaltige, weit in den Hörraum hineinreichende Effektwiedergabe. Auch bei "You where there" von A1 Project begeistert der JBL-Schallwandler mit einer massiven Bassfront, so dass echtes Großdiskotheken-Flair aufkommt. Bezüglich der Pegelfestigkeit, auch im Langzeiteinsatz, muss die TL260  in ihrer Preisklasse keinen Gegner fürchten - das wird nach unseren umfangreichen Testreihen klar. Eine nochmals pegelfestere Box zu finden, gestaltet sich selbst dann schwierig, wenn man noch deutlich mehr Geld investieren möchte. 

Leider gibt es allerdings auch akustische Probleme - wenn viele Chassis auf der Lautsprecherfront montiert sind, ist es kein leichtes Unterfangen, die Gruppenlaufzeiten untereinander so anzugleichen, dass ein zeitlich akkurates, ebenmäßiges Klangbild "wie aus einem Guss" ermöglicht wird. Genau hier gerät die TL260 in Schwierigkeiten. Bei etwas grober gestrickter Musik wie den eben erwähnten Stilrichtungen ergeben sich praktisch keine Probleme, wer allerdings Klassik- oder Jazzliebhaber ist und gern auf feine Zwischentöne hört, ist mit der TL260 nicht optimal bedient. Dann ergebt sich ein hörbarer zeitlicher Versatz der verschiedenen Frequenzbereiche, die von den zahlreichen Chassis bedient werden. Grundsätzlich weist die TL260 einen akustisch warmen, angenehmen Klangcharakter auf, von daher ist es schade, dass die Disharmonien bei den Gruppenlaufzeiten ein besseres Hörerlebnis vereiteln. Weniger wäre entschieden mehr gewesen - als Dreiwege-Konstruktion hätte die TL260 diese Schwierigkeiten unter Umständen nicht gehabt. 

Mit ihrer Fähigkeit, Stimmen gut vom Lautsprecher zu lösen, kann die TL260 überzeugen - sie schafft eine großflächige akustische Bühne, der es im Detail allerdings an Feinzeichnung mangelt. Stimmen werden wohltemperiert und angenehm wiedergegeben - die letzten charismatischen Merkmale, die eine Stimme einzigartig macht, werden allerdings nicht alle vom JBL-Lautsprecher herausgearbeitet. Der Hochtonbereich wirkt etwas zurückhaltend, die von audiophilen Kennern geschätzte Feinzeichnung und Brillanz ersetzt die TL260 durch eine immer noch sehr harmonische Auslegung auch bei sehr großer Lautstärke. 

Insgesamt fällt es nicht leicht, die TL260 abschließend akustisch zu beurteilen. Einerseits beeindrucken der angenehme Klangcharakter, der kraftvolle Bass und die enorme, Maßstäbe setzende Pegelfestigkeit, andererseits enttäuschen die nicht optimal angepassten Gruppenlaufzeiten. Für die TL260 spricht der sehr gute Wirkungsgrad, so dass auch problemlos Stereoverstärker der 500 €-Liga verwendet werden können, ohne dass die erzielbaren Lautstärken dann zu gering wären. Für die zuspielende Elektronikkette empfehlen wir, einen möglichst neutral ausgelegten Verstärker zu verwenden. Keinesfalls sollte ein Röhrenverstärker eingesetzt werden -  denn die TL260 weist bereits einen warmen Grundcharakter mit zusätzlicher Neigung zur effektvollen Basswiedergabe auf. Erzeugt der angeschlossene Verstärker noch den identischen Effekt, so ist dann das gesamte Klangbild zu stark aufgedickt und nicht mehr ausreichend differenziert. 

Gesamtnote Klang (in Relation zur Preisklasse): Sehr gut

Fazit

Die JBL TL260 kann letztendlich noch mit einem überzeugende Resultat diesen Test beenden. Durch den massiven, nachdrücklichen Bass, den hervorragenden Wirkungsgrad und die erstklassige Pegelfestigkeit ist sie für denjenigen, der sehr gern laut Musik hört und zudem Pop-,Techno-, House-, Trance-, Dance- oder Hip Hop-Liebhaber ist, eine sehr empfehlenswerte Alternative. Auch als Frontlautsprecher für die effektbetonte Filmtonwiedergabe ist die TL260 ausgezeichnet geeignet. Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man Klassik- oder Jazzhörer ist, über einiges an Hörerfahrung verfügt und zudem eine höchst saubere, ebenmäßige akustische Ausarbeitung vieler Details bevorzugt. Diesen Ansprüchen kann die TL260 leider nicht ganz gerecht werden. Ihre zahlreichen Chassis mögen in der Theorie zwar eindrucksvolle Chancen zur differenzierten akustischen Wiedergabe eröffnen, in der Praxis aber gibt es Probleme, alle Klanganteile zeitlich gleichzeitig abzubilden - dies wird dem erfahrenen Hörer relativ schnell auffallen. Auch, was die Detailarbeit angeht, gehört die TL260 nicht zur Klassenspitze. Sie ist eher darauf optimiert, auch bei  großer Lautstärke noch ein angenehmes Klangbild zu erzeugen, als auch die filigrane akustische Ausleuchtung anspruchsvoller musikalischer Passagen. 

Die TL260 meistert extreme Pegel souverän, auch die Basswiedergabe ist überragend. Durch die nicht zeitgleiche Ausgabe aller akustischen Signalanteile wird ein besseres Testergebnis verspielt

Standlautsprecher obere Mittelklasse
27. März 2007
Preis-/Leistungsverhältnis

+ Maßstäbe setzende Pegelfestigkeit
+ Sehr nachdrücklicher Bass
+ Sehr guter Wirkungsgrad
+ Ausgezeichneter räumlicher Eindruck

- Probleme bei den Gruppenlaufzeiten
- sehr einfaches Finish
- nur eine Farbvariante lieferbar

Test: Carsten Rampacher
27. März 2007