TEST: Kopfhörer beyerdynamic DT-990 

05.12.2006 (cr)

Knapp 300 € sind für einen Kopfhörer schon ein beträchtlicher Betrag - der sich jedoch zumindest teilweise wieder relativiert, wenn man bedenkt, wie lang man eine solche Gerätschaft in der Praxis einsetzt. Nutzungszyklen von mehr als 10 Jahren sind hier keine Seltenheit, denn so viele Neuerungen, wie es in anderen Bereichen der Unterhaltungselektronikindustrie praktisch am laufenden Band gibt, sind hier nicht zu befürchten. Daher kann man sich bei beyerdynamic darauf verlassen, dass der DT-990, seines Zeichens "großer Bruder" des DT-770, auf jeden Fall seine Liebhaber findet. Der DT-990 ist zugleich "Häuptling" der noblen "Premium Line", mit 290 Gramm Gewicht jedoch nicht übertrieben schwer und unhandlich geworden. Wie auch für den DT-770 gibt es die Möglichkeit, den DT-990 mittels der Manufaktur individuell auszustatten. Im Test des DT-770 sind wir bereits genau darauf eingegangen. Nun wenden wir uns der Frage zu, ob sich der DT-990 vom kleineren Bruder entsprechend absetzen und vielleicht sogar dem AKG Acoustics K-701 für 399 € gefährlich werden kann. 

Verarbeitung

Hochwertigkeit in praktisch jedem Detail zeichnet den DT-990 aus

Das Kopfband vermittelt hohen Tragekomfort

Flexible Kabelfixierung aus hochwertigem Material

Qualität made in Germany: Der DT-990 ist kein Fernostprodukt

Selbstverständlich sind der 3,5 mm und der 6,3 mm Stecker hartvergoldet

Wir waren bereits mit dem Finish des DT-770 sehr zufrieden - der DT-990 bietet noch ein wenig mehr. So sind die Ohrmuscheln in speziellem Design gehalten, welches nobel und nie aufdringlich wirkt. Dies ist das Unterscheidungsmerkmal zum kleineren DT-770, ansonsten sind praktisch keine Unterschiede festzustellen, was allerdings keinen Nachteil darstellt. Die soliden Befestigungen, die tadellose Materialqualität, der extrem hohe Tragekomfort (auch nach Stunden intensiven Musikhörens stören weder der DT-770 noch der DT-990, interessanterweise weisen beide Headphones das identische Gewicht auf) und die vergoldeten Stecker (3,5 mm direkt am Kabel, 6,3 mm vergoldeter Adapter im Lieferumfang) zeichnen ein klares Bild eines ausgesprochen hochwertigen Produkts, das auch nach Jahren der Nutzung bestimmt noch viel Freude bereiten wird. Wir würden nur die sehr spießigen serienmäßigen Velours-Ohrpolster gegen Echtleder-Polster aus dem Individualisierungsprogramm austauschen, dann wirkt das Produkt noch deutlich wertiger und zeitgemäßer bezüglich des optischen Auftritts. Als Gesamtnote vergeben wir in dieser Disziplin ein "ausgezeichnet". 

Technologie

Der DT-990 ist als offener Kopfhörer ausgelegt

Der DT-990 arbeitet als offener Kopfhörer (der DT-770 ist als geschlossener Kopfhörer ausgelegt)  nach dem dynamischen Arbeitsprinzip - wie heute bei den meisten Kopfhörern üblich. Wahre Highender schwören allerdings auf Kopfhörer, die nach dem elektrostatischen Prinzip arbeiten und einen eigenen Kopfhörerverstärker benötigen. Die gesamte Konstruktion ist hier sehr aufwändig, dafür ist das Klangbild bei derartigen Kopfhörern besonders authentisch und dynamisch, jedes kleine Detail wird eingearbeitet. Hervorragende Vertreter der Gattung dynamische Kopfhörer (Der vom Verstärker eintreffende Strom ist für die Magnetisierung einer Spule verantwortlich. Diese Spule ist von einem Dauermagneten in Ringform umgeben und treibt so die mit ihr verbundene Membran an) können allerdings auch schon mit beachtlicher Leistungsfähigkeit und Detailwiedergabe glänzen. Wir werden übrigens voraussichtlich Anfang 2007 alle relevanten Unterschiede der einzelnen Kopfhörer-Typen in einem großen Kopfhörer-Special ausführlich erläutern, so dass dann der Weg zum persönlichen Wunsch-Kopfhörer für die Leser unseres Specials deutlich einfacher wird. Mit einem Frequenzgang von 5 bis 35.000 Hz ist der DT-990 auch für DVD-A und SACD geeignet. Mit einer Impedanz von 250 Ohm (andere Impedanzen per Individualisierung wählbar) ist der Kopfhörer sehr gut fürs Zusammenspiel mit netzbetriebenen Komponenten geeignet. Wer den Kopfhörer zusammen mit portablen, batterie- bzw. akkubetriebenen Geräten einsetzen möchte, kann sich ohne Aufpreis für eine Impedanz von 32 Ohm entscheiden. 

Klang

Österreichischer Konkurrent: Der sensible AKG Acoustics K-701

Der DT-990 hat uns in allen Testreihen tief beeindruckt. Gut, von einem Kopfhörer, der beinahe 300 € kostet, kann man auch einiges erwarten hinsichtlich Klangtreue, Belastbarkeit und Faszinationspotential. Mit seiner ungeheuer nachdrücklichen, lebendigen und zugleich vielschichtigen Wiedergabe jedoch schafft es der DT-990, selbst dem AKG Acoustics K-701 bedrohlich nahe zu rücken. Kunden werden sich beide Kopfhörer allerdings kaum gegenseitig wegschnappen, dazu sind die beiden Produkte zu unterschiedlich. Der K-701 setzt auf die Faszination des Differenziert-Sensiblen, eine Spielart, die er nahezu perfekt beherrscht. Auch er ist in der Lage, dynamisch zu agieren, aber er verbindet dies mit vornehm-seriösen Charakterzügen. Der Bass erklingt eine Spur knackiger, präziser als beim DT-990, feine Details werden liebevoll ins akustische Gesamtbild eingefügt. Und, trotz allem Auflösungsvermögen des DT-990: Der K-701 kann mit einer noch leicht besseren Feindynamik auftrumpfen. Also doch ein klarer Durchmarsch des teureren AKG-Kopfhörers? Mitnichten - der DT-990 spricht den Hörer, der Nachdruck, Spannung, Emotion, Schwung spüren möchte, deutlich besser an. Er agiert beinahe unverschämt direkt, gerade bei temporeicher Musik ist er voll in seinem Element. Dazu passt, dass er hörbar pegelfester ist. Wo der K-701 schon beginnt, zu verzerren, dort agiert der DT-990 noch gelassen und souverän - also ein rundherum gelungenes Gerät auch für die jüngere Generation, wo man unter akustischem Genuss noch etwas anderes versteht. 

Einen beträchtlichen Teil seines Reizes bezieht der DT-990 aus dem sehr kraftvollen Bassbereich. Hier kann er den DT-770 nochmals mit erstaunlicher Deutlichkeit auf Distanz halten. Gerade derjenige, der gern Techno- und Dance-Musik hört, wird restlos begeistert vom DT-990 sein und kaum zu einem nochmals teureren Kopfhörer greifen. Selbst dann, wenn man mit ohrenverträglich-moderater Lautstärke hört, entfaltet der DT-990 gekonnt seine Reize: Bei Gigi d'Agostinos "L'Amour Toujours" baut er eine bassstarke Kulisse mit reichhaltigen, sehr gut positionierten Effekten auf. Im direkten Vergleich bietet der K-701 zwar eine noch exaktere Ortungsmöglichkeit, dafür präsentiert der DT-990 die Effekte reichhaltiger, voller - kurzum genau so, wie es der Liebhaber derartiger Musik schätzt. Auch bei DJ Quicksilvers "Deep in Motion" vermittelt der DT-990 richtig Schwung und Energie, die sich nahtlos auf den Hörer überträgt.  Er eignet sich aber, wie bereits der DT-770, sehr gut für Rock-/Pop-Musik, die kraftvolle und melancholische Anteile miteinander vereint, wie beispielsweise bei "Musica é" oder bei "La Luca Buona Delle Stelle" von Eros Ramazzotti. Hier wirkt der K-701 im direkten Vergleich beherrschter und analytischer, während der DT-990 mit viel Antrittsstärke bei den Dynamiksprüngen und sehr viel Lebendigkeit für die "italienischen Momente" im Leben zuständig ist. 

Man muss diese unvermittelte, spontane Art allerdings schätzen, sonst fühlt man sich akustisch überrollt. Wer aber eine kräftig-nachdrückliche Wiedergabe präferiert, findet hier einen herausragenden Spielpartner: Bei den Titelmelodien aus verschiedenen James-Bond-Filmen (auf SACD) spielt sich der beyerdynamic Kopfhörer ebenfalls in den Vordergrund. Es scheint so, als wolle er die Leidenschaft, die die Musiker bei diesen vielschichtigen Interpretationen an den Tag legen, nochmals verstärken, um ein besonders intensives Hörerlebnis zu vermitteln. Auch hier detailliert der K-701 nochmals besser, wirkt aber nicht so voller Esprit, sondern geht nüchterner ans Werk. Dies soll jedoch keinesfalls als Nachteil verstanden werden, hier ist es einfach vom jeweiligen Standpunkt des Hörenden abhängig, welche Spielart man favorisiert. Beide Modelle sind ohne Zweifel faszinierende Kopfhörer, die sich aufgrund ihrer Fähigkeit zur authentisch-räumlichen Darstellung auch prima für den Gebrauch in Verbindung mit guten Phones Surround Programmen wie beispielsweise Yamaha Silent Cinema oder aber Dolby Headphone eignen. Um diese speziell für den Betrieb mit einem Stereokopfhörer entwickelten Programme effektiv nutzen zu können, benötigt man tatsächlich entsprechend hochwertige Headphones - die allerdings sich auch dem Faktor Spaß nicht völlig verschließen sollten, sondern mit Dynamik und Frische für Hörvergnügen sorgen. Während der AKG bei moderater Lautstärke den Hochtonbereich noch klarer ausleuchtet, gewinnt mit wachsendem Pegel das souveräne, kraftvolle Klangbild des beyerdynamic die Oberhand. Wer längere Zeit laut hört, kann dies mit dem DT-990 auch bei der Filmtonwiedergabe besser als mit dem AKG, der sich auch hier als die Alternative für audiophile Genießer feindynamischer Einzelheiten herauskristallisiert. Klang-Gesamtwertung für den DT-990 unter Berücksichtigung des Kaufpreises: Hervorragend!

Fazit

Der beyerdynamic DT-990 bietet für rund 300 € erstklassige Eigenschaften

Alles, was der DT-770 bereits sehr gut kann, beherrscht der DT-990 nochmals deutlich besser. Für knapp 300 € bietet er ein tiefes, intensives Hörvergnügen, mit sehr hoher Auflösung, einem kräftigen Bass und einem ausgewogenen Mitteltonbereich. Der DT-990 vermittelt viel Räumlichkeit und Klarheit, er ist hohen Hörlautstärken gegenüber aufgeschlossen und harmoniert sehr gut mit nahezu allen Musikstilen - wenn der Hörer eine sehr dynamische, sehr volle Klangdarstellung schätzt, dürfte es schwer sein, in dieser Preisklasse ein ähnlich verlockendes Angebot ausfindig zu machen. Mit seinem hohen Tragekomfort, der soliden Verarbeitung und den vielfältigen Individualisierungsmöglichkeiten wird der DT-990 vollends zum bezahlbaren Traum-Kopfhörer. 

beyerdynamic schlägt voll zu: Der DT-990 ist ein kompromissloses Premium-Produkt mit starken akustischen Eigenschaften zum günstigen Preis

Stereo-Kopfhörer obere Mittelklasse
05. Dezember 2006
Preis-/Leistungsverhältnis

+ Enorme Dynamik und Basskraft
+ Feinfühliges Auflösungvermögen
+ Sehr angenehmer, trotzdem brillanter und klarer Hochtonbereich
+ Ausgewogene Mitteltonbereichswiedergabe
+ Solide Verarbeitung
+ Individualisierungsmöglichkeiten
+ Fürs Leistungsprofil sehr fairer Kaufpreis

- Serienmäßig nur leicht angestaubt wirkende Veloursohrpolster

Test: Carsten Rampacher
05. Dezember 2006