Der Tunnel

Studio

teamWorx (2001)

Verleih

BMG Video (2001)

Laufzeit

160:35 min. (FSK 12)

Regie

Roland Suso Richter

Darsteller

Heino Ferch, Nicolette Krebitz, Mehmet Kurtulus, Sebastian Koch, Karin Baal

DVD-Typ

2 x DVD - 9

Fernsehnorm

PAL

Bildformat

2,35:1 (anamorph)

Audiokanäle

1. Deutsch, Dolby Digital 5.1
2. Audiokommentar

Untertitel

deutsch

Regionalcode

2

Verpackung

Super-Jewel-Box

Preis

ca. 25-30 EURO
Film  

August 1961, soeben ist der Schwimmer Harry Melchior (Heino Ferch) ostdeutscher Meister geworden und kostet seinen Triumph dadurch aus, dass er bei der Siegerehrung dem Funktionär der SED den Handschlag verweigert. Denn er hat nicht vergessen, dass es dieselben staatstragenden Leute gewesen waren, die ihn 1953 in den Knast der Staatssicherheit gebracht hatten, als er sich dem Protest gegen die Regierung angeschlossen hatte. Nicht gerechnet hat er allerdings damit, dass schon am nächsten Tag mit der Abriegelung der quer durch Berlin laufenden Grenze begonnen wird und eine Flucht nunmehr eine erheblich größere Herausforderung darstellt, als noch wenige Tage zuvor. Dass ein Verlassen der Deutschen Demokratischen Republik aber inzwischen unumgänglich ist, lässt sich spätestens dann nicht mehr von der Hand weisen, als er sich mit dem Stasi-Oberst Krüger (Uwe Kockisch) anlegt und ihm unmissverständlich seine Einstellung zum Leben im Arbeiter- und Bauernstaat klar macht. Aber zum Glück hat Harry Freunde auf die er zählen kann, allen voran Matthis Hiller (Sebastian Koch), der kurz zuvor den Weg durch die Abwasserkanäle genommen hatte, dabei jedoch von seiner schwangeren Freundin Carola (Claudia Michelsen) getrennt worden war, die in die Hände ihrer Verfolger fiel.

Mit einem gefälschten Schweitzer Pass wird Harry am Checkpoint Charlie vorbeigeschleust. Kaum im Westen angelangt, ist die erste Forderung, die er an seine Fluchthelfer, den Italoamerikaner Vittorio "Vic" Castanza (Mehmet Kurtulus) und Fred von Klausnitz (Felix Eitner) stellt, seine Schwester Lotte (Alexandra Maria Lara) nachzuholen, die ihm diesmal noch nicht gefolgt war, da sie ihrer kleinen Tochter das Risiko nicht zumuten wollte. Harrys Wünsche bekommen jedoch einen herben Dämpfer, als er erfahren muss, dass der Trick mit dem Pass bei ganzen Familienverbänden sowieso nicht funktioniert und alle anderen üblichen Fluchtwege inzwischen von den staatlichen Behörden der DDR dicht gemacht wurden. Aber statt in Verzweiflung zu versinken, bleibt Harry ganz Mann der Tat und entwirft einen ebenso kühnen, wie komplizierten Plan: Wenn alle Fluchtwege verstopft sind, schafft man sich eben selbst einen und da eine Mauer auf dem Luftwege nur mit erheblichen Gefahren zu überwinden ist - schließlich gilt der Schießbefehl - bleibt nur der Weg unten herum. Da trifft es sich gut, dass Matthis die notwendigen bautechnischen Kenntnisse mitbringt. Und nachdem er die Sache im ersten Moment für unmöglich erklärt hat, stellt er dann doch eine Planung vor, die zwar viel Arbeit, aber eine reelle Chance verspricht.
Vom Keller einer stillgelegten Fabrik aus fangen sie an, einen Stollen von West nach Ost zu treiben. Im Laufe der Zeit bekommt die kleine Gruppe Zuwachs. Zunächst durch Fritzi (Nicolette Krebitz), welche die vier bei ihren Planungen belauscht hatte und nun mithelfen will, um ihren Verlobten aus dem Ostteil der Stadt zu befreien. Später, als die Truppe feststellt, dass ein Ende ihrer Arbeit in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, sofern nicht einige helfende Hände mehr zum Einsatz kommen, werden noch andere "Maulwürfe" angeworben, die jeder für sich seine Gründe hat, um an dem Unterfangen mitzuwirken, wobei es meist um Freunde oder Familienmitglieder geht, die auf der anderen Seite der Grenze geblieben sind. Harry ist zunächst wenig begeistert von der Ausweitung ihres Kreises, befürchtet er, nicht ganz zu unrecht, dass sich so die Gefahr, dass die östlichen Dienste durch einen Spitzel Wind von der Aktion bekommen könnten, erheblich erhöht wird. Vor allem Fritzi ist ihm anfänglich mehr als suspekt. Was die beiden aber nicht daran hindert, im Verlaufe der gemeinsamen Grabungen doch zu beginnen einander besser zu verstehen, nicht zuletzt, als Fritzi Harry befreien kann, nachdem dieser durch einen Teileinbruch der Tunneldecke verschüttet wurde.

Langsam, aber sicher kommt auch ihr Untertagebau voran, auch wenn sich immer wieder Hindernisse auftürmen, sei es ein Wassereinbruch oder akuter Geldmangel, der durch einen Exklusivvertrag mit dem US-Fernsehsender NBC behoben wird, der fortan mit einem eigenen Kamerateam dabei ist.
Aber auch auf der anderen Seite der Mauer türmen sich immer wieder neue Probleme auf, sind doch fast alle der Menschen, deren Flucht das Unternehmen dient, unter der ständigen Kontrolle der Staatssicherheit.
Dass bedeutet, auch wenn sie ihrem Ziel immer näher kommen, können tragische Rückschläge dennoch nicht ausbleiben.

Was hier vorliegt ist die Kinofassung von "Der Tunnel". Das bedeutet aber nicht, dass einfach nur ein paar Szenen aus dem TV-Zweiteiler herausgeschnitten wurden, um die Geschichte auch für Zuschauer mit leicht ermüdendem Sitzfleisch bekömmlich zu machen, sondern dass ein abgeleitetes, aber selbständiges Werk entstand. Dazu wurde diese Version durch einen anderen Cutter als die andere Fassung geschnitten, was dem Film einen vollkommen eigenen Rhythmus und damit auch einen zumindest unterschwellig abgewandelte Sichtweise verpasste.
Und letztlich kann man dem Produzenten Nico Hofmann schon zustimmen, der erklärte, dass einer Kinoauswertung in Deutschland wohl leider der große Erfolg im Fernsehen entgegenstehen wird. Die Verantwortlichen hätten demnach den Mut haben sollen, den Film zuerst auf der großen Leinwand auszuwerten, denn trotz gewisser kleinerer Mängel darf er zu den Aktivposten des deutschen Filmschaffens zählen, und davon gibt es bekanntlich immer noch nicht genug.
Was die besagten Schwächen angeht, so finden sich immer noch ein paar wenige Dialogzeilen, die aus dem Notbehelfs-Zettelkasten für einfallslose Fernsehautoren zu stammen scheinen und denen es wahrlich nicht geschadet hätte, wenn ihnen eine Spur Lebendigkeit gespritzt worden wäre. Zum anderen gibt es Momente, in denen man der Inszenierung entweder mehr Geld oder eine Extraportion an Gestaltungskraft wünschte, so zum Beispiel bei einem der dramatischen Höhepunkte, wenn Fritzis Verlobter versucht, die Grenze zu überwinden. Mitreißend wie sie ist, fehlt der Szene noch das gewisse Etwas an atmosphärischer Dichte, die einen wirklich großen Film ausmachen.
Ansonsten aber kann mit Erleichterung festgestellt werden, dass die Optik von "Der Tunnel" näher an Hollywood, als an der kargen Inszenierung eines Freitagsabendskrimis beim ZDF liegt, stellt ein (häufig nur aus einer finanziellen Zwangslage heraus) an Fernsehgewohnheiten orientierter Bildaufbau doch schon einen entscheidenden Punkt dar, an der so manches ambitioniertes Werk heimischen Ursprungs schon in den Startlöchern gescheitert ist, gerade wenn erhebliche Fernsehgelder in der Produktion steckten. So aber kann "Der Tunnel" mit großen Bildern prunken, die häufig in einen angenehmen und stimmungsvollen monochromen Braunton getaucht sind, ohne dass gleich die Hyperrealität eines Michael Bay ("The Rock", "Pearl Harbour") einstellt.
Absolute Krönung des Film ist aber die Besetzung, wobei sich "Der Tunnel" als Ensemblefilm par excellence beweist, gibt es nämlich bei den Akteuren keinerlei Ausfälle, sondern im Gegenteil nur lauter Bestleistungen zu vermelden. Egal, ob es um Heino Ferch geht, der erneut unter Beweis stellt, dass er die ideale Kombination aus Charaktermime und (potentiellem) Actionhelden ist; Nicolette Krebitz, der es gelingt von Film zu Film ihre Fähigkeiten mehr zur Reife zu bringen, über Mehmet Kurtulus, der sich in letzter Zeit immer mehr in den Vordergrund des hiesigen Schauspielerpools spielt und hoffentlich noch bis zur absoluten Spitze vordringt, bis hin zu kleineren Rollen, wie die Intensität, mit der Claudia Michelsen die von Schicksalsschlägen bombardierte Carola gibt oder ein paar kurze, aber überaus prägnante Auftritte von Karin Baal.
Anzumerken sei schließlich noch, dass sich der Film natürlich einige Freiheiten von der zugrundeliegenden wahren Tunnelgeschichte nimmt und das ganze Spannungsfördernd aufpeppt. Dazu lässt sich sagen, dass sich die Erweiterungen noch im Rahmen dessen bewegen, was die Plausibilität dem gesunden Menschenverstand erlaubt; und da ein Spielfilm nun mal zur Unterhaltung gedacht ist, sind derartige dramaturgische Kniffe auch durchaus zu begrüßen. Wer sich rein an den Fakten orientieren möchte, dem bleibt hier im übrigen die Möglichkeit auf die hervorragende Dokumentation über die realen Geschehnisse zurückzugreifen, die sich auf der Bonus-DVD befindet.

 

Bild 

Im Gesamtergebnis liegt die Bildqualität schon über dem Durchschnitt und bietet im anamorphen 16:9-Format eine Präsentation, die man so im TV nicht geboten bekommt. Trotzdem kann sie nicht in oberste Spitzenränge vordringen. Denn das Bild könnte durchaus etwas ruhiger sein, der Rauschpegel ist angesichts der Aktualität des Materials eine Spur zu hoch. Auch treten, allerdings in sehr geringem Maße, schon einmal leichte Nachzieheffekte auf.

 

Ton 

Überwiegend wird der Film von den Dialogen und der musikalischen Begleitung geprägt. Insofern klingt beides sehr harmonisch, mit ganzer Klarheit und ausgreifendem Klangspektrum. Auf selben Niveau bewegen sich die, allerdings sehr spärlich gesetzten Szenen, in denen die Möglichkeiten des differenzierten Raumklangs zumindest angetestet werden, zum Beispiel die Szenen im Tunnel während an der Oberfläche ein Panzer seine Patrouillenfahrt absolviert.

 

Special Features 

Wirbt eine DVD mit 205 Minuten Bonusmaterial, dann ist dass zwar rein zahlenmäßig schon beeindruckend, aber bekanntlich sind Qualität und Quantität immer noch zwei unterschiedliche Maßstäbe. Bei den Zugaben zu "Der Tunnel" darf die Zusatzmenge aber tatsächlich auch noch mit hochwertigem Inhalt glänzen.

Herzstück ist die eineinhalbstündige Dokumentation des Südwestfunks zu den historischen Ereignissen rund um den echten Tunnelbau von Hasso Herschel (dem Vorbild für den Harry Melchior im Film) und seinen Unterstützern. Dabei ist die Dokumentation durch ihren geschickten Aufbau fast spannender als die Spielfilmhandlung. Sie folgt nämlich dem damaligen zeitlichen Ablauf und kombiniert auf ideale Weise Interviews mit den damals Mitwirkenden, zeitgeschichtliche Aufnahmen aus dem Leben des geteilten Berlins, wenige nachgestellte Szenen, sowie vor allem Ausschnitte von den Aufnahmen der NBC, die damals die Tunnelbauer live begleitete. Das Ergebnis ist ein intensives und mitreißendes Aufleben der damaligen Ereignisse, das sich eine unumschränkte Empfehlung verdient hat.

Zum Spielfilm gibt es ein ausführliches und informatives "Making Of", das sich nicht im üblichen, "ach was sind wir toll" erschöpft.

Des weiteren findet man sieben geschnittene Szenen, welche in der TV-Fassung, jedoch nicht in der vorliegenden Kinoversion des Films zu sehen waren; sowie für sechs Szenen die Möglichkeit, die verschiedenen Schnittfassungen für Kino und TV unmittelbar zu vergleichen, wahlweise als Bild-im-Bild Fassung, bzw. mit freigestelltem hin- und herschalten.

Der Produzent Nico Hofmann steuert ein längeres Interview bei, wobei er sich nicht nur zum Film selbst, sondern auch zu seiner sonstigen Tätigkeit als Regisseur und Produzent, sowie zum Thema der DVD und was sie für die Filmschaffenden bedeutet, äußert.

Ellen und Domenico Sesta, die damals bei der Tunnelaktion mitwirkten, präsentieren Ausschnitte einer Lesung aus ihrem Buch "Der Tunnel - In die Freiheit".

Nicht vergessen werden darf auch der Audio-Kommentar von Regisseur Roland Suso Richter, Heino Ferch und Alexandra Maria Lara, der durch das Zusammenspiel der Drei selbst an etwas inhaltsleereren Stellen immer noch eine unterhaltsame Plauderei ergibt, aber natürlich auch tiefere Einblicke in die Gefühle und Gegebenheiten bei den Dreharbeiten vermitteln.

Mit den beiden Darstellern gibt es dann auch noch ein weiterführendes Interview, dass allerdings als Hidden Feature abgefasst ist, dass grundsätzlich nicht allzu schwer zu finden ist; aber als Hinweis, um Ungeduldige vor unnötigem Herumprobieren zu bewahren sei zumindest angemerkt, dass man sich um den "Wahre Geschichte" betitelten Bereich kümmern sollte.

Und schließlich dürfen die Standard-Beigaben wie Trailer (auch noch zu anderen Werken der Mitwirkenden), sowie eine Fotogalerie nicht fehlen.

28.08.2001

Review von Tobias Wrany

Test-Equipment

TV: Panasonic TX-28PK1F
DVD-Player: Pioneer DV-535
Dolby Digital / DTS Receiver: Sony STR-DA50ES